„Altweibersommer“ – Im sanften Licht des Neubeginns
- Christina
- 10. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Apr.
TEXT & INTERVIEW: CHRISTINA KAISER
Ein Gespräch mit Pia Hierzegger, Diana Amft und Ursula Strauss über Mut, Veränderungen und Frauenfreundschaft.

Drei Frauen, drei Lebenswege – und eine jahrzehntelange Freundschaft, die schon vieles überstanden hat. Astrid, Elli und Isabella kennen sich seit ihrer Jugend, könnten unterschiedlicher kaum sein – und sind doch Freundinnen fürs Leben. Und wie jedes Jahr brechen die drei zu einem gemeinsamen Urlaub auf – dieses Mal ist aber alles anders. Denn in diesem Jahr ist ihre traditionelle gemeinsame Reise von Unsicherheit und Schweigen (und schlechtem Herbstwetter) geprägt. Liegt es daran, dass Freundschaft jenseits der 40 nicht mehr so unbeschwert ist, eventuell daran, dass sie verunsichert sind, wie sie mit ihrer krebskranken Freundin umgehen sollen, oder vielleicht daran, dass die drei Frauen schon länger nicht ehrlich zu sich selbst sind? Zwischen Lachen, Tränen und Lebensfragen beginnt eine Reise voller unerwarteter Wendungen.
Altweibersommer, das Regiedebüt der österreichischen Regisseurin und Schauspielerin Pia Hierzegger, ist eine intelligente, warmherzige Filmkomödie mit „morbidem Charme” (Zitat Pia Hierzegger), die Hoffnung gibt, dass die wirklich großen Abenteuer manchmal erst in der Lebensmitte beginnen – wenn man sich traut, die Kontrolle zu verlieren und mutig auf sein eigenes Leben sieht.
Ein Neuanfang kann in jedem Alter eine Herausforderung sein – besonders aber für Frauen in der Lebensmitte. Der Kinofilm zeigt drei Frauen, die sich auf eine Reise nach neuer Erfüllung und Unabhängigkeit begeben. Doch wie realistisch ist diese Reise? Wie verändert sich Freundschaft in der Lebensmitte? Und wie gelingt ein Neuanfang, wenn das Leben längst eingerichtet scheint?
Wir haben mit den Hauptdarstellerinnen Diana Amft, Ursula Strauss und Regisseurin Pia Hierzegger gesprochen: über Mut, Veränderung und warum echte Freundschaft auch die größten Umbrüche überstehen kann.

Veränderung beginnt mit Ehrlichkeit
Pia, du bist sowohl Schauspielerin als auch Regisseurin. Wie wichtig ist es, dass Frauen ihre eigenen Geschichten erzählen?
Pia Hierzegger: Sehr wichtig, weil so wie Frauen diese Geschichten erzählen, kann das sonst niemand. Auch Männer schreiben gute Rollen für Darstellerinnen, aber halt aus ihrer Sicht.
Der Film dreht sich um drei Frauen, die – jede auf ihre Weise – aus ihrem Alltag ausbrechen. Was hat euch persönlich an dieser Thematik gereizt?
Diana Amft: Das Drehbuch ist einfach mega gut geschrieben und es hat mich sehr gereizt, diese Rolle zu spielen. Ich fand es spannend und nachvollziehbar, wie die drei Frauen plötzlich eine andere Richtung einschlagen, einfach mal ausbrechen, und habe mich deshalb sehr auf diesen besonderen Road-Trip gefreut. Ich finde es mutig, wenn man sich, wie unsere drei Freundinnen im Film, spontan auch mal auf etwas Anderes einlässt – nicht laut oder dramatisch, sondern leise und menschlich.
Pia Hierzegger: Irgendwann kommt man drauf, dass man nicht mehr unbegrenzt Zeit hat, dass man vielleicht noch neue Dinge ausprobieren will und dass man das nicht auf später verschieben sollte. Natürlich haben nicht alle diese Chance und es ist manchmal ein bisschen anstrengend und unbequem. Es ist wie beim Sport: Nachher ist man immer froh, dass man es gemacht hat. Im Film müssen die Figuren diesen Schritt erst recht wagen – sonst wäre die Geschichte total uninteressant.
Ursula Strauss: Ausbruch aus alten Strukturen bedeutet Veränderung, und Veränderung bedeutet Entwicklung. Ich glaube, wir hinterfragen unsere Struktur grundsätzlich zu selten und erstarren lieber im Gewohnten. Es ist bequem und vertraut.
Veränderung, die Konfrontation mit dem Neuen, ist oft mit zweifelnder Unsicherheit und wackeligem Boden unter den Füßen verbunden. Wackeliger Boden ist aber gar nicht so schlecht ab und an. Im Sport stärkt er unseren Gleichgewichtssinn und unsere Muskeln – und im Leben unseren Selbstwert und unsere Wahrnehmung.
Viele Frauen fürchten sich vor Veränderungen, vor allem in der Lebensmitte. Was würdet ihr einer Freundin raten, die in einer Lebenskrise steckt?
Ursula Strauss: Wir stehen im Laufe des Lebens immer wieder mal vor einer Wand, die schier unüberwindlich scheint. Wir haben manchmal einfach Angst davor, die Perspektive zu ändern. Dabei muss man sich nur umdrehen und die Welt sieht ganz anders aus.
Neuanfänge brauchen Strukturen – und Vorbilder
Der gesellschaftliche Umgang mit Frauen im „zweiten Lebensabschnitt“ verändert sich langsam. Wo seht ihr die größten Herausforderungen?
Ursula Strauss: Ich denke, es geht darum, sich selbst nicht dem Druck einer oberflächlichen und ökonomischen Gesellschaft, und dem Druck der Medien sowie der sozialen Plattformen zu unterwerfen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der ich diese Frage eigentlich nicht mehr beantworten muss, in der wir einander respektieren, uns an der Vielfalt erfreuen und in der logischerweise alle Geschichten über Frauen und Männer – aller Altersgruppen und Lebensabschnitte – erzählt werden.
Pia Hierzegger: Ich glaube, wir kommen nur mit Quoten ans Ziel, dann wird es selbstverständlich, dass Frauen alle Positionen innehaben können. Es gibt weltweit mehr Frauen als Männer, also sollten sie auch überall so vertreten sein.
Viele Frauen haben aber einfach nicht die Möglichkeit, neue Wege zu gehen, einfach weil es finanziell nicht möglich ist, weil sie zum Beispiel vom Partner abhängig sind.

Was glaubt ihr, brauchen Frauen heute, um den Mut zu finden, neue Wege zu gehen?
Diana Amft: Ich denke, dass es sehr unterschiedlich ist. Wie auch bei uns im Film steckt jede Frau in ihrem eigenen Lebensmodell. Isabella zum Beispiel scheint das ewige Pech bei Männern zu verfolgen. Sie ist Single, hat keine Kinder, hätte aber eigentlich gerne welche gehabt. Astrid wiederum ist in einer langjährigen Beziehung mit Kindern und bei Elli kommt plötzlich die schreckliche Krankheit hinzu. Bei allen drei Frauen würde ein Neuanfang daher etwas ganz anderes bedeuten. Ich denke, dass man grundsätzlich Angst hat vor Dingen, die man nicht kennt und es in erster Linie einfach Mut erfordert, sich auf etwas Neues einzulassen.
Welche persönliche Lektion nehmt ihr aus Altweibersommer mit?
Ursula Strauss: Entspann dich!
Diana Amft: Dass man sich tatsächlich immer mal Zeit für seine Freunde nehmen sollte, egal in welchen Lebensumständen man sich gerade befindet – oder vielleicht sogar gerade deswegen! Freundschaften sind so wichtig und wertvoll. Und vielleicht einfach mal ausbrechen und etwas Anderes machen, außerhalb der Komfortzone. Die drei Freundinnen haben sich auf ein Abenteuer eingelassen und dabei auch viel erlebt. Ich würde den dreien auf jeden Fall gerne auch bei ihrem nächsten Trip zuschauen wollen. (lacht)
Pia, gibt es eine Filmszene oder ein Zitat aus Altweibersommer, das für dich besonders viel Bedeutung hat?
Pia Hierzegger: Ich glaube, wenn man einzelne Zitate aus dem Zusammenhang reißt und ihnen zu viel Bedeutung zuschreibt, dann klingen sie immer ein wenig altklug und banal. Ich will niemandem eine Lebensweisheit vermitteln, dazu kann man ja zu Aphorismussammlungen greifen.
Die letzte Szene des Films hat für mich persönlich einen besonderen Wert – aber mehr wird nicht verraten.
Altweibersommer zeigt mit feinem Humor und ehrlichem Blick: Es ist noch nicht Herbst. Es ist vielleicht erst der Anfang – und echte Freundschaft ist der beste Kompass, wenn man den eigenen Weg sucht.
Im Interview mit

Pia Hierzegger ist Schauspielerin, Dramatikerin, Drehbuchautorin und Regisseurin. Sie studierte Germanistik und Anglistik in Graz und ist seit 1993 festes Ensemblemitglied der Grazer Off-Theatergruppe Theater im Bahnhof, wo sie auch als Regisseurin, Konzeptentwicklerin und Autorin tätig ist.
Einem breiten Publikum wurde sie durch Michael Glawoggers Kultfilm Nacktschnecken bekannt. Es folgten zahlreiche Rollen in Kino- und Fernsehproduktionen wie Slumming, Der Knochenmann, Was hat uns bloß so ruiniert, Wilde Maus, Die Notlüge, Der Boden unter den Füßen oder Tatortreiniger: Currywurst. Ihre Rollen zeichnen sich durch feinen Witz, Präzision und Tiefgang aus.
Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Österreichischen Filmpreis (2020, Beste Nebenrolle in Der Boden unter den Füßen) und dem Diagonale-Schauspielpreis (2023 für Family Dinner). Im selben Jahr war sie für den Österreichischen Filmpreis als beste Hauptdarstellerin nominiert.
Hierzeggers Inszenierungen setzen gesellschaftskritische Akzente und spiegeln ihr Gespür für Sprache, Alltagsbeobachtung und pointierte Erzählweise wider.

Ursula Strauss studierte Schauspiel am Wiener Volkstheater und wurde bereits während ihrer Ausbildung an Bühnen in Österreich und Deutschland engagiert. Ihren Durchbruch feierte sie mit den Filmen Böse Zellen von Barbara Albert und dem Oscar-nominierten Revanche von Götz Spielmann. Für ihre vielseitigen und tiefgründigen Rollen wurde sie vielfach ausgezeichnet, darunter viermal mit der Romy, dem Österreichischen Filmpreis sowie dem Preis der Diagonale. Ihre Rolle in der Erfolgsserie Schnell ermittelt machte sie zum Publikumsliebling.
Regisseure wie Barbara Albert, Götz Spielmann, David Schalko oder Wolfgang Murnberger besetzen sie regelmäßig für anspruchsvolle Produktionen wie Altes Geld, Aufschneider, Die Stille danach oder Pregau. Ihre große Intuition und ihr feines Gespür für das Menschliche machen sie zu einer der gefragtesten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum.
Ursula Strauss ist Präsidentin der Akademie des Österreichischen Films und kuratiert mit großem Erfolg ihr eigenes Festival Wachau in Echtzeit.

Diana Amft studierte Schauspiel an der Schauspielschule Zerboni in München und der The Groundlings School Los Angeles. Sie wurde sie Anfang der 2000er-Jahre durch ihre Hauptrolle in Mädchen, Mädchen einem breiten Kinopublikum bekannt. Für ihre Darstellung in der Filmkomödie Knallharte Jungs erhielt sie den Deutschen Comedypreis.
Ihren endgültigen Durchbruch feierte sie mit der Titelrolle in der preisgekrönten Fernsehserie Doctor’s Diary (2008–2011), in der sie als chaotisch-liebenswerte Ärztin Dr. Gretchen Haase Kultstatus erreichte. Es folgten Rollen in Knallharte Jungs (2002), Ganz und gar (2003), Frisch gepresst (2011), Im weißen Rössl (2013) sowie der Vampirschwestern-Reihe. Für Caroline Link stand sie 2017 in Der Junge muss an die frische Luft vor der Kamera. Diana Amft ist auch als Synchronsprecherin tätig und lieh ihre Stimme u.a. Margalo in Stuart Little 2 (2002), Susan Gigantika in Monsters Vs. Aliens (2009) und Biber Lindenbaum in Yakari – der Kinofilm. Zudem ist sie seit 2011 Bestseller-Autorin der beliebten Kinderbuchreihe „Die kleine Spinne Widerlich“.
Diana Amft ist bekannt für ihre humorvollen, aber auch tiefgründigen Rollen und zählt seit Jahren zu den beliebtesten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum.