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Endlich über 40: Und jetzt?

TEXT: KATHARINA SABETZER


Kann man sich auf das Älterwerden vorbereiten? Und wenn ja, wie? Katharina Sabetzer sucht (und findet) Antworten in der Literatur, der Wissenschaft und bei Expert*innen.


Person | Alter | Hand vor Gesicht | Schwarz Weiß Foto | Aelter werden | Sai Balaji Varma Gadhiraju | myGiulia
Foto: Sai Balaji Varma Gadhiraju / unsplash

Optimistisch bleiben


Kein Geburtstag war jemals so irritierend wie mein vierzigster: mitten in der endlos erscheinenden Pandemie, wenige Wochen zuvor war Putins Armee in der Ukraine einmarschiert – die Voraussetzungen für einen optimistischen Ausblick aufs neue Lebensjahrzehnt waren just zu meinem Geburtstag gerade überhaupt nicht gegeben. 

Aber auch sonst war es eigentlich nicht lustig, vierzig zu werden. Vier Jahrzehnte sind schon vergangen! So viel erlebt, so viel noch vor!

Von den vielen tröstenden und wohlgemeinten Ratschlägen zu dieser Zeit sind mir zwei besonders in Erinnerung geblieben: Eine Freundin meinte, jetzt komme erst das beste Jahrzehnt auf mich zu (ich liebte meine 30er, es war kaum vorstellbar, was sie meinen konnte!), eine andere Freundin fragte, ob ich lieber nochmals zwanzig, fünfundzwanzig, dreißig sein wollte. Ob ich wirklich all die Ausbildungsstunden, leeren Kilometer in Jobs, all die Höhen und Tiefen und Krisen eines „normalen“ Frauenlebens noch einmal erleben wollen würde. (Spoiler Alert: Nein, will ich nicht.)

Beide Sätze tauchen seither immer wieder in unterschiedlicher Form in meinem Kopf auf: Will ich nochmals zurück? Was erwartet mich in Zukunft? Wird es jetzt besser? War es jemals schlecht (oder vielleicht doch nur lehrreich)?

„Alles über sechzig ist ein Geschenk, fast alles unter dreißig war eine Quälerei“, schreibt Elke Heidenreich in ihrem aktuellen Bestseller „Altern“, der uns Leser*innen schwungvoll mit dem Älterwerden versöhnt. Vor allem wenn wir mit achtzig immer noch so behände durch die Welt der Literatur reisen können wie Heidenreich.



Ein überraschender Bestseller: Mitte des Jahres war „Altern” von Elke Heidenreich das meistverkaufte Buch in Deutschland. / Foto: Stephan Pick



Das eigene Alter akzeptieren


Wie viel Widerstand leistet man, wenn man merkt, es geht nicht mehr alles so schnell wie früher? „Will man dem Stress der Betagtheit entgegenwirken, dann darf die Maxime, wonach niemand ‚zu alt für was auch immer‘ sei, kein Altersverleugnungsprinzip werden“, schreibt der Philosoph Peter Strasser in der Kleinen Zeitung. „Denn für jeden Menschen kommt der Moment, an dem ein Leben, das Achtung verdient, nur möglich ist, wenn es nicht in der altersstarrsinnigen Leugnung des eigenen Alters steckenbleibt.“

Das eigene Alter und die damit einhergehenden Beschwerden zu akzeptieren ist auch einer der Ratschläge des fast 90-jährigen koreanischen Psychiaters Rhee Kun Hoo, wie er in seinem kürzlich erschienenen Ratgeber „Wenn du schon hundert wirst, kannst du genauso gut auch glücklich sein“ schreibt: „Sich vor schlechter Gesundheit zu fürchten oder sie schlichtweg zu leugnen zieht also bloß weiteres Leiden nach sich.“



Und jetzt?


Nun bin ich also über vierzig, nicht mehr ganz jung, aber auch nicht ganz alt. Das Leben hat mich bis jetzt in manchen Bereichen Gelassenheit gelehrt, mich in manchen Situationen verunsichert. Ich habe gelernt, Entscheidungen für mich zu treffen und damit zurechtzukommen. Ich habe losgelassen und festgehalten, bin überrumpelt worden und habe Pläne verworfen. Und insgesamt viel weitergebracht, viel erlebt.

Und jetzt?

Was mache ich in den kommenden vierzig, fünfzig, vielleicht sechzig Jahren, um ein möglichst erfülltes Leben zu führen?


Text | Ausschnitt | Frauen | Buch | Susan Sontag | Ueber Frauen | Zitat | myGiulia
Aus dem Buch ÜBER FRAUEN von Susan Sontag

Dr.in Alexandra Kautzky-Willer ist Fachärztin für Innere Medizin und seit 2010 Professorin für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien. Ich frage sie, was auf eine Frau meines Alters demnächst zukommen wird: „Man sollte sich bewusst sein, dass die Eierstöcke ihre Funktion langsam aufgeben und Progesteron vor Östrogen abfallen wird, was aufgrund des Gelbkörperhormonmangels zu Symptomen wie Wassereinlagerungen, Brustspannen, Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen etc. führen kann.“ Unser Frauenkörper wandelt sich durch die Menopause. Veränderungen von Haaren, Haut, Schleimhäuten sowie Gelenks- und Muskelschmerzen sind während der Hormonumstellung möglich. 

Zur Bewältigung jener körperlichen Beschwerden, die keiner ärztlichen Begleitung bedürfen, empfiehlt Kautzky-Willer „gesunde Ernährung, nicht zu rauchen, wenig Alkohol, viel Bewegung, dazu Entspannung“. Aber unabhängig von den körperlichen Veränderungen rät die Ärztin vor allem Frauen, auf ihre psychische Gesundheit zu achten. „Die Gefahr für Depressionen ist bei Frauen zwischen 45 und 60 am höchsten, deshalb ist es etwa besonders wichtig, Freiheiten zu genießen, sich eventuell sogar neu zu orientieren.“


Frau in Badewanne | Entspannen | Baden | Schaumnbad | Musik hoeren | Brandy Kennedy | myGiulia
Foto:  Brandy Kennedy/unsplash

Das eigene Wohlergehen im Fokus


„Ein gutes Leben beginnt dort, wo unser eigenes Wohlergehen und unser Beitrag zu einem guten Leben für alle sich nicht mehr widersprechen, sondern einander bedingen und befördern“, behauptet Franka Kohler in ihrem Fragenbuch „Ikigai oder das gute Leben“ und meint weiter: „Dort, wo Handlungen, die zu unserem eigenen guten Leben beitragen, zugleich auch zu einem guten Leben für alle beisteuern.“


„Wie will ich mein Leben gestalten, wie viel Geld benötige ich dafür?“ ist auch eine der Leitfragen, die Elif Lisa Hakçobanı in ihrem speziell auf Frauen abgestimmten Finanzcoaching stellt. „In der Mitte des Lebens ist es für eine Frau entscheidend, bestimmte finanzielle Aspekte zu berücksichtigen und vorzubereiten“, erklärt Hakçobanı. „Diese Phase ist oft geprägt von beruflicher Stabilität, aber auch von der Notwendigkeit, sich auf die Zukunft vorzubereiten.“ Allein die äußeren Umstände, die ein Frauenleben beim Älterwerden begleiten, füllen Bücher: angefangen vom möglichen Energieverlust während der Menopause über Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz bis hin zu strukturellen Benachteiligungen, die Hakçobanı schlichtweg als „Gaps“ zusammenfasst (Gender Pay Gap, Gender Dream Gap, Care Gap, Lifetime Earnings Gap, Lifelong Motherhood Penalty, Gender Pension Gap). „Es ist daher unbedingt notwendig, sich Wissen über diese Gaps anzueignen und zu schauen, ob man selbst davon betroffen sein kann“, empfiehlt die Beraterin.


Weltkarte | Geld | Christine Roy | myGiulia
Foto: Christine Roy / unsplash

Und womit sollte ich jetzt beginnen? Hakçobanı rät, sich den aktuellen finanziellen Status quo bewusst zu machen, also Einnahmen und Ausgaben gegenüberzustellen, die zu erwartende Pension zu checken und sich die Frage zu stellen, ob man später davon leben kann, gegebenenfalls auch alleine. 

Wer Optimierungspotenzial entdeckt, sollte sich ehrlich damit auseinandersetzen: „Gebe ich das Geld wirklich dafür aus, dass es mir ganzheitlich wohltut? Wie kann ich meine Einnahmen erhöhen, wie einen Notgroschen anlegen?“, fragt die Finanzcoachin etwa. Entscheidend sei es jedenfalls, sich zu fragen, wie man jetzt und wie man später leben möchte. „Sich gedanklich zu öffnen und zu träumen ist hier natürlich erlaubt“, erklärt Elif Lisa Hakçobanı. „Vielen Frauen hilft es auch, sich selbst im hohen Alter vorzustellen und aus der Zukunft heraus aufs Leben zurückzublicken. Bei diesem Gedankenspiel eröffnen sich immer wieder unerwartete Wünsche und Träume, für die es in der Gegenwart noch nicht zu spät ist.“


„Ein Eintrag vom 25. April 1963, groß, mit wilder Schrift: ‚Was will ich eigentlich?‘ Heute weiß ich es. Ich habe alles erlebt, was nötig war, um jetzt zu wissen, was ich will. Ich will wach sein, aufmerksam, ich will Zeuge der Welt sein, aber nicht mehr für alles zuständig“, schreibt Elke Heidenreich in „Altern“. „Sagen wir mal so, es ist nicht unbedingt nötig, eine Maximierung von Glück anzustreben. Eine Minimierung von Unglück ist doch auch ein schönes Ziel“, erklärt sie außerdem und das erscheint mir bewältigbar.



Im Kopf jung bleiben


Ein gesunder Geist wohnt ja angeblich in einem gesunden Körper. Das beständige Quartett an Empfehlungen, die den Körper auf ein gutes Altern vorbereiten können, setzt sich aus ausreichend Schlaf, gesunder Ernährung, Bewegung sowie sozialen Kontakten zusammen. Lauter Maßnahmen jedoch, die für jemanden, der voll im Beruf steht und/oder Care-Arbeiten zu erledigen hat, wie ein zusätzlicher Vollzeitjob wirken. Wer wenig Zeit hat, sich um alle Bereiche zu kümmern, sollte sich daher für den Anfang dem individuell identifizierten Hauptproblem widmen und sich innerhalb des Problems kleine Ziele setzen, meint die Gender-Medizinerin Alexandra Kautzky-Willer dazu. 

Oder man hält sich an Rhee Kun Hoo, der sich mitunter nicht (mehr) darauf konzentriert, „das zu tun, was meiner Gesundheit zuträglich ist, sondern darauf, das zu unterlassen, was ihr schadet“. 


Es reicht doch vollauf, sich für den Anfang mal bei nur einer Mahlzeit am Tag für die gesunde Option zu entscheiden. Oder mit sich selbst auszuverhandeln, in welchem Ausmaß Bewegung noch Spaß macht und sich nicht wie eine weitere Verpflichtung anfühlt. Oder für ausreichend Schlaf zu sorgen. „Das Gehirn sieht man nicht, den Schlafmangel im Gehirn sieht man nicht“, erklärt etwa die Neurowissenschaftlerin Manuela Macedonia in ihrem Podcast „Gehirn einfach erklärt“ (gemeinsam mit Katrin Wachauer). Kontinuierlicher Schlafmangel führe sowohl im Gehirn als auch im gesamten Körper zu Entzündungen und diese Entzündungen verlangsamen – vereinfacht erklärt – diverse Regenerationsprozesse im Körper, was etwa beim Alterungsprozess der Haut sichtbar wird, aber auch in Stimmungsschwankungen (die in Studien just bei Frauen beobachtet wurden). 


Schlafende Person | Frau im Bett | Muedigkeit | Kinga Howard | myGiulia
Foto: Kinga Howard/unsplash

„Das Gehirn regeneriert sich schon nach einer durchgeschlafenen, langen Nacht“, beruhigt Macedonia jedoch und empfiehlt, Schlaf aufzuholen, wenn man die Zeit dafür hat. Denn: „Für Menschen zwischen dreißig und sechzig Jahren sind immer noch acht, neun Stunden Schlaf notwendig, damit sich all diese Regenerationsprozesse auswirken.“ Und mit ausreichend Schlaf sorgen wir ganz ohne Anstrengung auch noch für die Reduktion des Depressions- wie auch des Demenzrisikos.



Wider die Einsamkeit


Ein weiterer wertvoller Baustein für unser Hirn und somit für unsere Gesundheit im Alter sind soziale Kontakte aller Art. „Was macht das hohe Alter so herausfordernd?“, fragt etwa Rhee Kun Hoo und antwortet darauf: „Ich würde sagen, es ist die soziale Isolation.“ Und weiter: „Wenn der Alltag profaner wird, schrumpft auch der Aktionsradius, und die gesellschaftlichen Kontakte werden weniger.“ Auf die Pflege sozialer Kontakte beharrt auch Medizinerin Alexandra Kautzky-Willer: Vor allem Frauen benötigten Kontakte, damit sie mental fit bleiben. Denn „das Demenzrisiko ist bei Frauen im Alter höher als bei Männern“. Im hohen Alter seien schließlich Isolation und Vereinsamung ein großes gesundheitliches Problem.

Der Psychologe Thomas Bickhardt unterscheidet im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung zwischen „Alleinsein“ und „Einsamkeit“: „Es gibt viele Menschen, die das Alleinsein sogar krank machen kann. Bei denen aus Alleinsein Einsamkeit geworden ist, die sie nicht mehr aushalten können.“ Bickhardt selbst hat fast dreißig Jahre in einem abgeschieden gelegenen Leuchtturm in Norwegen gelebt, wo er Führungskräfteseminare veranstaltet hat. Erst die völlige Isolation während der Pandemie habe sein zurückgezogenes Leben herausfordernder gemacht. „Wer sich aber kennt und mit sich in Frieden ist, der kann auch mit sich allein sein. Für andere kann das Alleinsein sehr schmerzhaft sein.“

Studien zeigen, dass sich vor allem junge und alte Menschen am ehesten einsam fühlen können. Personen mittleren Alters wähnen sich aufgrund ihrer Lebensumstände (Familie, Arbeit etc.) eher in ein soziales Netzwerk eingebunden. „Die Einsamkeit, sagt Octavio Paz, ist der tiefste Grund der conditio humana, der Bedingung unseres Menschseins“, zitiert Elke Heidenreich den mexikanischen Schriftsteller. 

Sollten wir also das Alleinsein lernen, um für das Älterwerden gerüstet zu sein? Oder doch eher bereits jetzt schon in unsere Verbindungen investieren?

„Don’t wait until old age to discover that you lack a good-quality social network”, rät etwa Louise Hawkley, Research Scientist an der University of Chicago in der New York Times. Denn der „soziale Muskel“ muss gleichermaßen trainiert werden wie unsere körperliche Fitness; gerade jetzt, seit durch die Pandemie und die Digitalisierung unserer Arbeits- und Privatleben persönliche Interaktionen etwas eingerostet sind. 

Also, raus aus Social Media (die Zwischenmenschlichkeit ja hervorragend vortäuschen können), hinein in die Welt. Wie eine Freundin von mir, die alle paar Jahre ihren Wohnort wechselt, und in jeder neuen Stadt kurz nach ihrer Ankunft einem Fitnesscenter und einem Chor beitritt, und sich ein Theater-Abo besorgt. Schon ist man umgeben von Menschen. Expert*innen empfehlen zudem ehrenamtliche Arbeit oder das Engagement in Vereinen, um neue Kontakte zu knüpfen und seinem Alltag das Gefühl für mehr Sinn zu geben. Es reichen einige wenige, aber stabile Kontakte, um sich besser in der Welt aufgehoben zu fühlen. Manchmal ist es schon ausreichend, eine Freundin zum Essen einzuladen, weil man ein neues Lokal testen möchte, wie es etwa Rhee Kun Hoo empfiehlt. „Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt, um mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen, und man findet auch nicht immer geeignete gemeinsame Aktionen“, beruhigt er in diesem Zusammenhang. „Aber andere an diesem einen Moment, am Jetzt, teilhaben zu lassen und etwas gemeinsam zu unternehmen ist die beste Art, Kontakte zu knüpfen.“


Aeltere Frau im Supermarkt | Graetzl | Alter | Einkaufen | Izquierdo | myGiulia
Der Supermarkt in meinem Grätzl wird von einem Sicherheitsmitarbeiter bewacht. Ich beobachte, wie er sich mit betagten Kund*innen unterhält und lacht, während diese ihre Einkäufe in Taschen verpacken, und ich ertappe mich dabei, die gemeinschaftliche Funktion mancher Jobs unterschätzt zu haben. Foto: Victoriano Izquierdo/unsplash

Wozu das alles?


„Hier sitze ich und atme. Und altere. Und altern heißt nicht: noch nicht tot sein. Es ist ein ganz normaler Teil des ganz normalen Lebens“, schreibt Elke Heidenreich und ich atme mit ihr mit. Im Radio philosophierte neulich der Arzt und Biologe Martin Grassberger darüber, dass wir Menschen Teil eines Kontinuums seien, „dass wir Erben und Vorfahren zugleich sind“ und auch dieser Gedanke lässt mich seither nicht los. Unsere Zeit sei so sehr von kurzen Legislaturperioden, noch kürzer gedachten Quartalsabschlüssen geprägt, dass es uns immer schwerer fällt, uns als Teil eines großen Ganzen zu sehen. Mit der eigenen Vergänglichkeit vor Augen zu akzeptieren, dass man eigentlich nur ein Puzzlestück unter Milliarden anderer Puzzlestücke ist? „Es wird uns aufgezwungen, ob wir als nutzlos oder wertvoll gelten. Wir leben nicht im Naturzustand – die Gesellschaft weist uns die Rolle zu, die wir im Alter zu spielen haben“, schreibt etwa Elke Heidenreich. 


Frau mit Sonnenbrille | Freude | Lachen | Schwarz Weiß Foto | Seth Doyle | myGiulia
Foto: Seth Doyle/unsplash

Die ewige Suche nach dem Sinn


Aber welche Rolle bleibt uns, wenn der Alltagsrhythmus der Arbeit, der Kindererziehung, der Fürsorge für die alternden Eltern wegfällt? Wie findet man den Sinn im eigenen Dasein, wenn das Erwerbsleben abgeschlossen, die Fülle an Verantwortung weggefallen ist?

Rhee Kun Hoo empfiehlt eine Umorientierung von „zielorientiert zu prozessorientiert, von der extrinsischen Motivation zur Selbstmotivation – diese Veränderung müssen Sie im Alter früher oder später vollziehen.“ Weg von materiellen, leistungsorientierten Zielen, hin zu jenen Aufgaben und Tätigkeiten, die uns mit Sinn erfüllen. Die wir unseretwegen machen.

Wem nützt es also, wenn man in der Pension etwa ein neues Studium beginnt? Natürlich nur einem selbst. Und hier stolpern wir gerne über die Vorstellungen der Welt, jene zugeschriebenen Rollen, wie es Heidenreich formuliert. Denn sich neues Wissen bloß anzueignen, um es unmittelbar in den Erwerbsalltag einzubringen, ist genau jener Gedankenfehler, der uns im Ruhestand am Alltag und dessen Sinn verzweifeln lässt. Um die Ängste des Alterns zu bewältigen, rät Rhee Kun Hoo daher, in den „Trotzdem-Modus“ zu wechseln: „Ja, Körper und Geist sind nicht mehr ganz so fit wie früher, trotzdem können Sie sich nützlich machen und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Ich verspreche Ihnen: Es gibt eine Aufgabe für den Rest Ihres Lebens, an die Sie nur noch nicht gedacht haben.“ Denn schließlich gilt: „Das Beste am Altwerden ist die Freiheit, die wir gewinnen, wenn alle Verantwortung und alle Verpflichtungen von uns abfallen.“



Glücklich altern


„Es geht um das Loslassen, das Annehmen, es geht um das Friedenschließen, das Einverstandensein, um das nicht dauernd den andern, sich und das Leben Ändernwollen“, zitiert Elke Heidenreich die Schriftstellerin und Psychologin Helga Schubert. Und auch Rhee Kun Hoo kündigt mir an, dass wir alle im Alter bereuen müssten. „Selbst die Scham und die Reue, die wir tief in uns verborgen gehalten haben – auch sie sind Teil unseres Lebens“, schreibt er. „Und das alles anzunehmen ist der unerlässliche erste Schritt, um die letzten Lebenstage in Glück und Zufriedenheit zu verbringen.“



Ich darf!


Schon mit vierzig liegt doch eine gewisse Freiheit in der Erkenntnis, nicht mehr bei allem mitmachen zu müssen, Dinge verpassen zu dürfen. Und es ist erleichternd zu wissen, ja: erlebt zu haben, dass nach Tiefen wieder Höhen kommen. Dass das Zyklische, das unser Frauenleben monatlich so beschäftigt, uns auch immer wieder vorbereitet auf Anfänge und Enden, auf Wiederanfänge und vorübergehende Abschlüsse. 

„Heute weiß ich, dass das Glück kein Zustand ist, nach dem man verzweifelt suchen muss“, schreibt Elke Heidenreich. „Es ist immer nur ein Augenblick, und ich habe gelernt, ihn zu erkennen und zu genießen. Aus der Summe glücklicher Augenblicke setzt sich das Glück des Lebens zusammen. Diesem Glück bin ich heute viel näher als damals, mit zwanzig.“ Mit diesen Aussichten ist das Älterwerden ja durchaus erträglich.


 

Im Interview


Portrait | Alexandra Kautzky-Willer | MedUni Wien | myGiulia
Alexandra Kautzky-Willer / Foto: MedUni Wien

Dr.in Alexandra Kautzky-Willer, geboren 1962, ist Fachärztin für Innere Medizin und seit 2010 Professorin für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Schwangerschaftsdiabetes und Genderaspekte bei Diabetes mellitus. Ein weiterer Schwerpunkt von Alexandra Kautzky-Willer liegt auf der Untersuchung von Genderaspekten bei Übergewicht und Adipositas.











Portrait | Elif Lisa Hakçobanı | Maria Noisternig | myGiulia
Elif Lisa Hakçobanı / Foto: Maria Noisternig

Elif Lisa Hakçobanı ist Money Coach und angehende Wertpapierberaterin (i.A.). Sie folgt ihrer Berufung, Frauen auf ihrem Weg zur finanziellen Selbstermächtigung und Unabhängigkeit zu begleiten und zu unterstützen. 


















Unsere Autorin


Portrait | Katharina Sabetzer | Pamela Rußmann | myGiulia
Katharina Sabetzer / Foto: Pamela Rußmann

Katharina Sabetzer lebt und schreibt in Wien und in der Steiermark. Meist vergisst sie die Welt um sich herum, wenn sie sich in ein neues Thema vertieft. Oder guten Kuchen isst.




















 

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