Text von LISA REINISCH
Es ist noch nicht lange her, da tauchte der Name Gabriele Münter nur in den Randnotizen der europäischen Kunstgeschichte auf. Die Tatsache, dass das Schaffen und Leben der in Berlin geborenen Künstlerin (1877-1962) wegweisend für die Entwicklung der Moderne war, wurde vom maskulin dominierten Kunstdiskurs über Jahrzehnte ignoriert. Heute, spät aber doch, wird ihre Kunst international gefeiert.
Seit 2017 haben einige der wichtigsten Museen der Welt Münters Werke in ihre Sammlungen aufgenommen und ihr große Retrospektiven gewidmet. Münter angemessen zu huldigen ist allerdings kein einfaches Unterfangen, denn ihr turbulentes Leben führte sie durch unzählige persönliche, gesellschaftliche und technologische Umwälzungen, von der Blütezeit des Fin de Siècle, über zwei Weltkriege und den Auftakt des Kalten Kriegs.
Auch hier wollen wir diesen Fragen ein wenig auf den Grund gehen und begeben uns dazu auf eine Zeitreise zu entscheidenden Stationen in Münters Leben.
St. Louis, USA, im Jahr 1900
Gabriele Münter und ihre Schwester Emmy stehen am Mississippi und beobachten, was sich am Ufer abspielt: Passagiere im Sonntagsstaat besteigen einen Ausflugsdampfer, eine Gruppe von Arbeitern schlendert am Wasser entlang, im Hintergrund stehen Fabrikschlote und eine Eisenbahnbrücke. Münter ist von der Szene angetan und greift, wie so oft, zur Kamera, einer Kodak Bull’s Eye No 2 Boxkamera, die sie kürzlich zu ihrem 22. Geburtstag bekommen hat.
Die beiden jungen Frauen befinden sich nun bereits seit über einem Jahr auf Reisen durch die Vereinigten Staaten, auf einer Besuchstour bei Verwandten in Missouri, Arkansas und Texas – und das ganz ohne Anstandsdame. Münter entwickelt sich mühelos von einer begeisterten Amateurin zu einer begnadeten Fotografin. Bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland entstehen mehr als 400 Bilder. Münter schult dabei ihr Auge für Komposition, eine Fähigkeit, die ihr für den Rest ihres Lebens dienlich sein wird.
München, Deutschland, 1901
Münter will sich den lang gehegten Wunsch erfüllen, eine Kunstschule zu besuchen. Doch da gibt es ein Problem: Keine Kunstakademie Deutschlands würde eine Frau aufnehmen. Überhaupt werden sogenannte „Malweiber” nicht geschätzt, weder von der Gesellschaft, noch vom Kunstbetrieb. Einflussreiche Stimmen stellen sowohl die Berechtigung als auch die Befähigung der Frau zur Ausübung der Kunst vehement in Frage.
Münter bleibt also keine andere Wahl, als sich um teures Geld an einer der privaten „Damenakademien” Münchens zu inskribieren. Leisten kann sie sich das nur aufgrund des beträchtlichen Erbes, das sie vor einigen Jahren finanziell unabhängig gemacht hat. Schon bald besucht sie den „Abendakt” an der „Phalanx”-Schule, den ein russischer Dozent namens Wassily Kandinsky unterrichtet.
Kandinsky erkennt Münters Talent und stellt sie auf eine Ebene mit ihren männlichen Kollegen – damals eine radikale Ansicht. Als progressiver Lehrer, der seine Schüler als gleichberechtigte, kreative Individuen ansieht, behandelt Kandinsky sie „wie einen bewusst strebenden Menschen, der sich Aufgaben und Ziele stellen kann”. Eine derartige Behandlung ist Münter neu und beeindruckt sie zutiefst.
Kandinsky, als gelernter Volkswirt, ist ein Quereinsteiger in die Kunst und steht selbst noch in Ausbildung. Im gemeinsamen Streben nach Geschwindigkeit, Spontaneität und Authentizität in der Malerei kommen sich Kandinsky und Münter näher. Doch er ist verheiratet und Münter missfällt die Geheimnistuerei. Dennoch gehen die beiden eine Beziehung ein.
Münter und Kandinsky verschmähen so oft es geht das Atelier und malen unter freiem Himmel, Seite an Seite. Vom Fahrrad aus suchen sie nach Motiven, die Malutensilien haben sie auf den Rücken geschnallt. Münter trägt dabei meist sogenannte „Reformkleider”, ohne einschnürendes Mieder, wie sie erst 15 Jahre später in Mode kommen sollten.
Im Leben und in der Kunst will sie Traditionen sprengen und entwickelt sich stilistisch immer weiter in Richtung Avantgarde. Die beiden lernen mit- und voneinander: Sie profitiert von seiner Technik, er profitiert von ihrer Art, Motive einzufangen.
Paris, Frankreich, 1906
Nach langen Aufenthalten in den Niederlanden, Tunesien und Italien erreichen Münter und Kandinsky schließlich Paris. Auf der Flucht vor den gesellschaftlichen Zwängen Münchens, hat das Paar vier Jahre auf Reisen verbracht. Jetzt lassen sie sich im beschaulichen Vorort Sèvres nieder, statt sich dem bunten Treiben im Künstlerviertel Montparnasse anzuschließen, denn der 40-jährige Kandinsky kennt – im Gegensatz zur 29-jährigen Münter – die Stadt bereits und ist kaum an sozialen Kontakten interessiert.
Doch die junge Frau will sich Paris nicht entgehen lassen. Am 17. November mietet sie sich auf eigene Faust ein kleines Zimmer im 6. Arrondissement von Paris. Schon bald stellt sie fest, dass ihr neuer Nachbar niemand Geringerer als Leo Stein, Gertrude Steins Bruder, ist. So bekommt Münter Zugang zu deren Sammlung, inklusive bahnbrechender Werke von Matisse, Picasso und Cézanne, die einen tiefen Eindruck bei ihr hinterlassen.
Münter stürzt sich in das pulsierende Kulturleben der Stadt: Sie besucht Galerien, belegt Kurse an der renommierten Académie de la Grande Chaumière und verkehrt im berühmten Salon von Gertrude Stein. Dabei muss sie feststellen, dass ihr postimpressionistischer Malstil, der in Deutschland noch für Entsetzen beim bürgerlichen Publikum sorgt, längst von der Vorfront des künstlerischen Schaffens ihrer Zeit überholt ist.
Sie entdeckt die „wilden Bestien” der Fauvist*innen, allen voran Paul Gauguin und Émile Bernard, und erkennt die Kraft der radikalen Reduktion und der leuchtenden Farben. Jetzt, wo die Fotografie auf Knopfdruck naturgetreue Abbildungen der Welt liefert, sollte es in der Kunst um Dinge gehen, die eine Kamera nicht ablichten kann: Gefühle, das Wesen der Dinge, das innerste Selbst. Münter ist am Puls der Zeit angekommen.
Im Herbst nimmt sie, als eine von wenigen Frauen, am Salon des Indépendants teil. Sie zeigt eine Reihe von Holz- und Linolschnitten, in denen sie mit Wiederholungen, Variationen und Farben spielt, und erntet damit Lob von der Kunstkritik.
München, Deutschland, 1911
Es ist der 18. Dezember und in der Galerie Tannhäuser eröffnet eine Ausstellung, die in die Kunstgeschichte eingehen wird. Es ist die erste Schau einer neu gegründeten Redaktionsgruppe namens „Der Blaue Reiter”, die sich erst kürzlich um Wassily Kandinsky und Franz Marc formiert hat. Münter ist von Anfang an Mitglied der Gruppe, deren erklärtes Ziel es ist, jene Künstler*innen zusammenzubringen, „die zur neuen Zeit gehören”, wie Marc es formuliert. Trotz ihrer zentralen Rolle wird Münter nicht als Mitbegründerin und Herausgeberin des 1912 erscheinenden Almanachs genannt.
Neben eigenen Werken stellen Marc, Kandinsky und Münter auch Arbeiten von Henri Rousseau, Robert Delaunay und Arnold Schönberg aus – was den internationalen Anspruch des Blauen Reiters unterstreicht. Die Ausstellungsbesucher*innen echauffieren sich über die radikalen Bilder und es regnet niederschmetternde Kritiken.
Auch intern bekämpfen die Mitglieder der stilistisch losen Gruppierung einander schon bald auf das Härteste. Nur neun Monate nach der Gründung löst sich „Der Blaue Reiter” in Streit und Enttäuschung auf. Trotzdem wird sich diese Gruppe, neben “Die Brücke”, als bedeutendste Manifestation des deutschen Expressionismus herauskristallisieren.
Kopenhagen, Dänemark, 1918
Die mittlerweile 41-jährige Künstlerin lebt seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Skandinavien, erst in Stockholm, dann in Kopenhagen. Sie ist in erster Linie ausgewandert, um auch in Kriegszeiten mit Kandinsky zusammen bleiben zu können. Denn als russischer Staatsbürger muss Kandinsky Deutschland 1914 verlassen. In neutralen Ländern wie Schweden und Dänemark hofft das Paar auf eine gemeinsame Zukunft. Doch Kandinsky lässt auf sich warten, hält Münter hin, schreibt schließlich gar nicht mehr.
In der Zwischenzeit entdeckt Münter voller Elan ihre neue Umgebung und tritt dabei aus dem Schatten Kandinskys hervor. Hier ist sie plötzlich eine Größe der europäischen Kunstszene, die Mitbegründerin des Blauen Reiters, der in Künstlerkreisen bereits großes Ansehen genießt. Sie lädt zu Treffen in ihrem Salon, bestreitet Einzelausstellungen und zieht mit ihrer weltoffenen, souveränen Art die jüngere Generation von Künstler*innen an.
Im März 1918 präsentiert Kopenhagens Freie Ausstellungshalle (Den Frie Udstillings Bygning), Dänemarks wichtigstes Zentrum für zeitgenössische Kunst, eine große Einzelausstellung Münters. Münters Ölgemälde, Unterglasmalereien und Druckgrafiken werden von der Kritik hoch gelobt.
Der Umstand, dass sie hier unter dem Nachnamen „Münter-Kandinsky” ausstellt, täuscht allerdings über einiges hinweg: Die langjährige Liebesbeziehung mit Kandinsky hat nie zu einer Ehe geführt. Tatsächlich hat Münter seit ihrem letzten Treffen 1915 nichts mehr von Kandinsky gehört. Zu dieser Zeit kann niemand wissen, dass sich die beiden nie wieder begegnen werden.
Von außen wirkt Münter so erfolgreich und produktiv wie nie zuvor. Doch die kriegsbedingte Inflation hat ihr Vermögen zunichte gemacht, sodass sie für ihr finanzielles Auskommen Auftragsarbeiten annehmen muss. Außerdem kämpft sie innerlich mit dem Verschwinden Kandinskys, welches sie sich nur durch seinen Tod erklären kann.
Schloss Elmau, Garmisch-Partenkirchen, Deutschland, 1920
Bei ihrer Rückkehr nach Deutschland erfährt Münter, dass Kandinsky noch am Leben ist und dass er bereits 2017 eine 25 Jahre jüngere Russin namens Nina geheiratet hat. Für Münter ist es der Beginn einer jahrelangen Lebens- und Schaffenskrise. Auf Schloss Elmau nimmt sie 1920 zum ersten Mal an einer Gruppentherapie in der „Begegnungsstätte suchender Menschen” teil, die Gespräche, gesunde Ernährung und Tanzeinheiten umfasst.
Die goldenen 20er verbringt Münter zurückgezogen. Sie genießt zwar ein gewisses Ansehen, muss aber zur Kenntnis nehmen, dass sie, nur zehn Jahre nach Gründung des Blauen Reiters, bereits der Kunstgeschichte zugeschrieben wird. Später wird sie über diese Zeit schreiben: „Ich verlor die Fühlung mit dem Kunstleben in Deutschland. Als ich zurückkehrte, blieb ich fremd und rührte mich kaum, wieder zur Geltung zu kommen.”
Kandinsky, seinerseits, unterrichtet schon bald am Bauhaus, der jetzt führenden Lehrinstitution der Avantgarde und steigert weiter seine Bekanntheit. Zu diesem Zeitpunkt dürfen Frauen immer noch nicht in Bauhaus-Werkstätten unterrichten, mit Ausnahme des Fachs „Harmonisierungslehre”. Münter und Kandinsky beginnen einen erbitterten Rechtsstreit über den gemeinsamen Hausstand, den Münter während der Kriegsjahre eingelagert hatte und jetzt wie einen Schatz hütet. Sie nennt sich trotzig weiterhin Münter-Kandinsky und kann nicht akzeptieren, dass Kandinsky sie so abrupt fallengelassen hat.
„Mehr als ein Jahrzehnt dauerte ihr psychischer Amoklauf gegen ihn und gegen sich selbst. Trotz dieser ohnmächtigen Wut lag ihre künstlerische Produktion auf die Dauer nicht brach. Die alte Kraft wird spürbar in den leichthändigen Umrisszeichnungen, die in ihrer Qualität oftmals mit denen von Matisse oder Schiele verglichen wurden”, heißt es im Ausstellungskatalog des Leopold Museums über diese Lebensphase.
Murnau, Deutschland, 1938
Der Philosoph und Kunsthistoriker Johannes Eichner ist gut im Vorausplanen. Als Münters Lebensgefährte schützt er sie schon seit Jahren strategisch vor der Verfolgung durch die NSDAP, indem er eine Reihe regimekonforme Interpretationen ihrer Kunst veröffentlicht. Zusammen mit Münters relativer Obskurität trägt Eichners Kampagne dazu bei, dass ihr Werk der Klassifizierung „entartete Kunst” entgeht. Sie darf weiterhin schaffen und ausstellen.
Wie stellt Eichner das an, in Anbetracht der revolutionären Bilder, die Münter hervorgebracht hat? Indem er den starren Blick der faschistischen Zensur auf gewisse Aspekte von Münters Werk bündelt: Er preist ihren ursprünglichen, unreflektierten (sprich weiblichen) Zugang zur Kunst. Er hebt die naive Volkstümlichkeit und Primitivität ihrer Bilder hervor und hüllt sie in einen Mantel aus quasi-kindlicher Unschuld. Während der NS-Zeit malt Münter hauptsächlich Blumen. Später wird ihr vorgeworfen, sich dem Regime zu sehr angepasst zu haben.
Münter und Eichinger verweilen also in Murnau, während Kandinsky, Paul Klee und viele andere vor Repressalien flüchten müssen oder ihnen zum Opfer fallen. Was niemand weiß: Eichner hat, wieder in weiser Voraussicht, Münters gesamte Kunstsammlung in eine geheime Kammer ihres Kellers geschafft. Hinter Marmeladengläsern und allerlei Hausrat versteckt, behüten die beiden so viele der wichtigsten Werke des Blauen Reiters vor Zerstörung und Plünderung. Sowohl die Nazis als auch die Besatzungsmächte durchsuchen das Haus mehrmals, doch Eichner und Münter können die Entdeckung des „Millionen-Kellers”, wie er später genannt wird, jedes Mal verhindern.
Murnau, Deutschland, 1944
Eine ältere Dame betritt den örtlichen Friseursalon, unter dem Arm trägt sie eine große Mappe. Flüsternd erklärt sie der Besitzerin des Salons, dass sie zwar kein Geld habe, ihr aber stattdessen eines ihrer Bilder als Bezahlung anbieten könne. In der Mappe befindet sich ein vor Farben leuchtendes Bild, Öl auf Pappe. Die Salon-Chefin schmunzelt. Sie kennt diese Dame und ihre Bilder: Ihr Name ist Gabriele Münter. Man weiß im Ort, dass sie lange mit einem Russen liiert war und daher nennen viele ihre Villa am Ortsrand einfach „das Russenhaus”. Seit einiger Zeit versucht sie schon, mit ihren Werken Tauschhandel zu betreiben, doch deren Eigenartigkeit belustigt das ganze Dorf. Immer wieder bietet Münter ihren Nachbar*innen Bilder gegen Milch, Brot und Eier an, aber niemand will sie annehmen. Ein Nachbar sagt zu ihr: „Behalte dir deine Bilder, unsere Kinder malen schöner.”
Auch die Salonbesitzerin lehnt Münters Bild ab, weist aber einen Angestellten an, der Dame die Haare umsonst zu schneiden – aber möglichst kurz, damit sie nicht so schnell wiederkomme. Genau wie viele andere Murnauer*innen, hat auch sie Mitleid mit dieser verarmten, scheinbar nicht sonderlich talentierten alten Malerin.
München, Deutschland, 1957
Gabriele Münter feiert ihren 80.Geburtstag. Eichner ist immer noch an ihrer Seite und gemeinsam beschließen sie, ihre gesamte private Sammlung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus zu vermachen. Zu Münters Sammlung gehören nicht nur ihre eigenen Werke, sondern auch zahlreiche Arbeiten jener Künstler*innen, mit denen sie vor 46 Jahren den Blauen Reiter gegründet hat.
Diese Schenkung verwandelt das Lenbachhaus über Nacht in eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt. Münter reüssiert als heldenhafte Stifterin, doch diese neue Rolle überschattet wiederum ihre Bedeutung als Malerin. Die erste Ausstellung nach der Schenkung trägt den Titel „Kandinsky und Gabriele Münter”, der die Gewichtung der beteiligten Persönlichkeiten klar macht. In der Ausstellung kommen auf Münters 61 gezeigte Arbeiten 177 Bilder Kandinskys. Eine weitere Herabsetzung, die es zu ertragen gilt.
Die vorangegangenen Episoden sind bezeichnend für Münters Schicksal als Pionierin, die einen großen Teil ihres Lebens damit verbringen musste, auf bessere Zeiten zu warten. Zwar wird ihre Kunst in den 1950ern wiederentdeckt, so dass ihre Arbeiten, unter anderem, 1950 auf der Biennale in Venedig und 1955 auf der ersten documenta in Kassel gezeigt werden. Auch erhält sie den „Kunstpreis der Stadt München für Malerei” und die „Goldene Ehrenmünze der Landeshauptstadt München”.
Doch der Kunstdiskurs bleibt blind für viele der außergewöhnlichen Leistungen dieser zurückgezogenen, eigenwilligen Frau. Die größte Veränderung besteht vorerst darin, dass zu ihrer vertrauten Rolle als „Frau an der Seite Kandinskys” eine neue dazukommt: die der Retterin der Werke des Blauen Reiters.
Planet Erde, Anfang des 21. Jahrhunderts
Erst die zweite Wiederentdeckung Münters, diesmal durch die feministische Kunstgeschichte des beginnenden 21. Jahrhunderts, erfasst ihre Bedeutung in voller Breite. Ihre Rolle als technisch versierte, analytische, unabhängige Künstlerin wird endlich ebenso wertgeschätzt, wie ihre Position als Naturtalent, dessen Kreativität sich das Naiv-Kindliche, akademisch Unverbildete gezielt bewahrt hat. Denn darin besteht wohl der große ästhetische und idealistische Einfluss, den Münter auf Kandinsky, aber auch auf die gesamte Bewegung des Blauen Reiters hatte.
1962 stirbt Münter, 85-jährig, in ihrem Haus in Murnau. Sie zeichnet bis zum Schluss jeden Tag und hinterlässt mehr als 2.000 Bilder, 140 Skizzenhefte, tausende Zeichnungen, hunderte Fotografien, Grafiken und Stickereien.
Unsere Autorin
Lisa Reinisch ist Journalistin, Autorin und Unternehmerin. Artikel von ihr erschienen in Monocle, Wanderlust, Sunday Times Travel, Harper's Bazaar Art und Architektur.
Seit einigen Jahren beschäftigt sie sich vermehrt mit Klima- und Umweltfragen, zum Beispiel im Auftrag des World Wildlife Funds (WWF). Sie ist Mitbegründerin von Project ECARUS, einer Initiative zur Entwicklung des ersten solarbetriebenen Expeditions- und Reisefahrzeugs der Welt.
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