von Christina Kaiser
Die Creator Economy boomt. Ob Schmuckdesignerin, Influencerin, Magazinherausgeberin, oder Keramikerin. Noch nie gab es so viele Möglichkeiten kreatives Schaffen mit erfolgreichem Unternehmertum zu vereinen. Vor allem Frauen sehen durch diese neue Selbstständigkeit Chancen ihre Arbeit flexibler gestalten zu können, auch in Bezug auf den Ort oder die zeitlichen Ressourcen. Wie kann man sich das Arbeiten von zu Hause am besten organisieren? Welche Herausforderungen sind mit Homeoffice Jobs verbunden? Wird es Zeit Arbeit neu zu definieren?
Das ist Valerie Rust, Valérie ist Schmuckdesignerin und arbeitet seit zwei Jahren selbstständig an ihren Statement Kreationen Valérievienne aus Polymer Ton. Die studierte Kunsttherapeutin ist durch Zufall auf die Arbeit mit der vielseitigen Knetmasse gestoßen. Uns erzählt sie mit Lebensfreude und Dankbarkeit über ihre Erfahrung als Creator, wie wichtig ihr Arbeitsumfeld für den kreativen Flow ist und warum für sie Spaziergänge auch zu ihrer Arbeitszeit gehören.
Wie hast du dein Label Valérievienne gestartet?
Ich war in Berlin und habe eine Freundin besucht. Meine Freundin Luise hat immer kreative Ideen und kreiert viel selbst. Sie trug Ohrringe in Fischform, die sie selber bemalt hatte. Es war so unglaublich originell und untypisch. Meine Freundin meinte ich müsste mir unbedingt das Material kaufen, es sei so vielseitig. Dann habe ich mir in mein Handy ein Memo eingespeichert: “Polymer-Ton kaufen, wenn ich wieder zurück in Wien bin.”
So hat es angefangen. Da ich noch in einer Schule gearbeitet habe, hieß es, zusätzlich zu diesem stressigen Schulalltag, abends Ohrringe zu machen. Das war eine unglaublich schöne Balance. Es war quasi ein meditativer Prozess für mich. Von da an hat es seinen Lauf genommen. Bis ich dann an dem Punkt war, wo ich gesagt habe ich kündige den Job, der macht mich nicht glücklich. Die Entscheidung habe ich sehr bewusst für mein Leben getroffen, für mein Wohlbefinden.
Hattest du davor schon Erfahrung, handwerklich, künstlerisch zu arbeiten? Oder war das das erste Mal dich künstlerisch auszudrücken?
Ich habe mich eigentlich schon immer mit künstlerischen Dingen beschäftigt. Ich male sehr, sehr gerne Aquarelle, zeichne viel im Skizzenbuch, oder in meinem Tagebuch. Ich habe ja Kunsttherapie studiert, und da hatten wir auch immer einen Atelierplatz zu Verfügung. Das heißt, wir hatten immer einen Raum, wo wir künstlerischen Projekten nachgehen konnten. Da habe ich zum Beispiel viel mit Collagen gearbeitet. Das Material Polymer-Ton war mir aber total neu, damit hatte ich noch nie gearbeitet.
Mich kreativ auszuleben; oder, dass der kreative Prozess, manchmal auch mit Frustrationen verbunden ist; und, dass man diesen Prozess auch genießen sollte und nicht nur ergebnisorientiert arbeiten sollte: Diese Dinge, habe ich bereits über mein Studium mitbekommen.
Durch meine Arbeit an den Ohrringen konnte ich hinterfragen, was überhaupt dieser künstlerische Prozess für mich bedeutet. Das fand ich sehr schön. Ich hab mich nicht unter Druck gesetzt und wollte zu Beginn einfach mal dieses neue Material kennenlernen. Ich bin da mit einem neugierigen, behutsamen, spielerischen Gedanken rangegangen.
Ich gebe mir Zeit, wieder wie ein Kind zu entdecken und ich schaue, was passiert. Also ich wollte keinen Druck ausüben, weil das oft mehr kaputt macht, als dass es etwas entstehen lässt.
Ist für dich das Herstellen und Gestalten deiner Designs dann auch eine Art von Kunsttherapie für dich selbst?
Es gibt sehr viele Parallelen zum Therapeutischen. Das heißt, meine Arbeit ist einfach ein sehr meditativer Prozess. Je nachdem, wie man es natürlich auch angeht und sieht. Man kann sich natürlich diesen Prozess auch zu einem höchst stressigen Prozess machen, wenn man sagt: “Ich übe enormen Druck aus, ich möchte so viel produzieren, wie nur geht.”
Es ist ja ganz spannend mit welcher Intention man rangeht. Ich versuche mir immer wieder diesen Prozess so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich mache es mir in meinem Zuhause und meinem Arbeitsplatz so schön und inspirierend wie möglich und nehme mir ganz viel Ruhe.
Ich bereite alles vor und ich arbeite sehr gerne abends oder nachts, wo ich dann diese Ruhe auch habe. Es beruhigt mich, auch weil ich weiß, alle schlafen und ich kann jetzt entspannt meine Ohrringe machen.
Dadurch, dass es bis zum fertigen Ohrring so viele Schritte sind, die man nicht schnell durchreisen kann, finde ich, gibt mir alleine der Herstellungsprozess schon Grenzen. Ich weiß, jeder Schritt braucht seine Zeit.
Also für mich soll es einfach ein beruhigender, angenehmer, schöner Prozess bleiben. Und deswegen möchte ich auch nicht in Massen produzieren oder so. So bleiben es oft Einzelstücke oder Produktion auf Bestellung.
Das Spannende dabei ist sicher auch sich die Frage zu stellen: Wie definieren wir Arbeit und wie definieren wir unsere Arbeit? Denn in der Gesellschaft ist es sehr stark verankert, dass Arbeit hart sein muss, Arbeit muss anstrengend sein. Wenn es sich hart und anstrengend angefühlt hat, dann merkt man, man hat wirklich gearbeitet. Man kann stolz ins Bett gehen.
Ich stelle mir die Frage, ob wir uns nicht vielleicht neu finden können. Darf sich meine Arbeit auch ein bisschen leichter anfühlen? Tue ich vielleicht noch zu viele Sachen, die mir schwer fallen, die sich hart anfühlen?
Ich mache selbstverständlich auch manchmal Aufgaben, die sich mühsam oder anstrengend anfühlen, aber sich dann immer wieder darauf zu besinnen, was würde mir denn jetzt gerade gut tun? Wo kann ich meine Energie nutzen, wenn ich gerade in einem Flow bin?
Gibt es da gewisse Dinge, die du dir in deinem Umfeld zu Hause schaffst, die dir helfen, in den Flow zu kommen?
Ich umgebe mich mit ganz vielen Dingen und Objekten, die mir Freude machen, Kreationen von Künstlerinnen oder Illustratorinnen, wo ich meine Wand betrachte und mir denke:” Wow, die Person, oder deren Lebensstil finde ich total inspirierend.”
Mir einen Kaffee zu machen.
Und abends ist es für mich diese Ruhe und Stille, die eben herrscht, dass ich weiß, es ist für viele Leute keine Arbeitszeit und das gibt mir innere Ruhe.
Du hast ja unterschiedliche Arbeitsbereiche in deiner Wohnung. Warum hast du verschiedenste Arbeitsbereiche für dich und und wie sehen diese aus? Wie nutzt du sie?
Ich glaube, diese unterschiedlichen Bereiche benötige ich um einfach auch immer wieder Veränderung reinzubringen. Wenn ich mir vorstelle, ich sitze immer am selben Schreibtisch, dann könnte es mich und meine Kreativität, irgendwann blockieren? Und ich merke dadurch, dass ich mal dort sitze, mal gerne auf dem Balkon arbeite, an meinem Esstisch Bestellungen bearbeite, herrscht immer eine Dynamik und immer eine Bewegung, die mich lebendig hält.
Also ich glaube, das ist der Hauptgrund, weshalb ich gerne ein bisschen “wandere” und mal in der Küche bin und mal am Balkon. Denn jeder Platz hat natürlich eine andere Energie.
Kennst du das, dass du den Ort änderst und dann auf einmal andere Ideen kommen?
Hier gibt Valérie Einblick in ihre Arbeit als Schmuckdesignerin:
Es liegt ja derzeit auch im Trend mal für einige Zeit von einem anderen Land aus zu arbeiten, eine “Workation” zu machen. Wie beeinflussen andere Orte, andere Städte deine Arbeit? Du ziehst ja auch bald nach Lausanne.
Ich habe etwas Rastloses in mir, dass es mich nach zwei oder drei Jahren kitzelt und ich mir vorstelle was es noch für Orte gibt, an denen man leben könnte. Also Ortswechsel geben mir einfach unheimlich viel. Da spüre ich plötzlich wieder Energien, die stagniert waren oder Ideen, die irgendwie nicht so richtig vorangingen.
Als ich im Oktober in Spanien war, ging auf einmal alles von ganz alleine. Es musste gar nicht viel passieren, sondern eigentlich musste ich nur an einem anderen Ort sein, Abstand von meinem Alltag haben, damit es wieder ins Fließen kam.
Ich gehe super gerne in Boutiquen und lasse mich berieseln: Was ist die Mode? Was sind die Farben? Was für Formen sehe ich? Und in Spanien oder Portugal sind es zum Beispiel diese farbigen Häuser. Die Terrakotta Töne, das Licht.
Jetzt mit dem Umzug in die Schweiz möchte ich den Unterschied Großstadt zu kleinerer Stadt beobachten. Ich frage mich da: Wie verändert das mein Arbeiten und meine Meinung? Meine Produkte? Vielleicht auch meinen Stil?
Lausanne liegt an einem See und dahinter hast du die Berge. Das werde ich sicher in meinen Alltag integrieren - mehr in der Natur zu sein - mehr am Wasser zu sein. Ich weiß noch nicht, was das bewirken wird.
Was natürlich auch neu wird, ist, dass wir in der neuen Wohnung jetzt einen zusätzlichen Raum haben. Ich glaube, das wird auf jeden Fall noch mal eine sehr bereichernde und sehr wohltuende Veränderung. Denn ich habe gemerkt, dass das von Zuhause arbeiten einfach sehr viel von meinem ganz persönlichen Space einnimmt. Da war es oft schon schwierig eine Grenze zu ziehen. Eine gesunde Work-Life-Balance, glaube ich, wird mit einem getrennten Arbeitszimmer mental eine Entlastung.
Was hast du über dich in letzter Zeit gelernt?
Ich glaube, dass ich eben jemand bin, die nicht zu den klassischen Arbeitszeiten gut arbeitet, und ich besser auf mein Gefühl, auf meine Intuition hören muss. Das war eine große Erkenntnis, weil ich oft versucht habe, meine Zeit zu planen und morgens mit der Arbeit zu beginnen, bis ich gemerkt habe, dass ich da in keinen Flow komme.
Womit ich mich auch viel beschäftigt habe letztes Jahr ist mein Mindset. Was soll Arbeit für mich sein? Soll es für mich hart und anstrengend sein oder darf es auch leicht sein? Ich habe für mich entdeckt, dass wirklich viel mit unserer inneren Einstellung zusammenhängt wie wir selbst Arbeit definieren. Da zählen für mich auch Ruhepausen und Spaziergänge dazu, weil es langfristig meine Produktivität steigert, wenn es mir gut geht.
Ich merke, wenn ich nur drinnen bin, wenn ich mich nur in meinen vier Wänden bewege, dass mein Energie-Level ganz schnell stagniert. Ich muss mir deshalb regelmäßig Termine legen, die außerhalb der Wohnung sind, wo ich in die Stadt fahren muss, wo ich mich wirklich fortbewege, rausgehe, die Tram nehme.
Ich habe mir dieses Jahr auch vorgenommen mehr in Cafés zu arbeiten, also mir ein ruhiges Café zu suchen als Workspace und dort dann Computerarbeit zu machen, die ich sonst hier zu Hause machen würde. Ich denke, dass wäre einfach ein schönes Ritual, wo ich die Ruhe habe zu arbeiten, wo ich auch andere Menschen Arbeiten sehe, die auch an ihrem Laptop sind und was mich dann auch wieder rausbringt aus der Wohnung.
Kannst du uns ungefähr beschreiben, wie dein neues Atelier aussehen wird?
Also ich habe es natürlich in meinem Kopf schon tausendmal ausgemalt!
Man macht die Tür auf und man fühlt sich wohl. Man ist umgeben von Farbe. Ich brauche immer ganz viel Farbe um mich herum und Pflanzen. Ich habe sehr Lust in der Mitte des Raumes Tische zu stellen und an den Wänden dann offene Regale mit all meinen Materialien und natürlich ganz viele Bilder an der Wand, sowie schöne Lampen, Trockenblumen, Keramik. Ich würde auch sehr sehr gerne mit Keramik weitermachen und mir irgendwann einen Ofen besorgen. Ein Ort, wo man einfach direkt Lust hat loszulegen. Man kommt rein und man sagt sich: "So, ich lege jetzt los, ich habe direkt Lust zu arbeiten!" Es soll ein gemütlicher, inspirierender Ort werden.
Wir freuen uns sehr, dass Valérievienne unsere BOUTIQUE Partnerin ist.
Ihre handgefertigten Statement Ohrringe aus Polymer-Ton kannst du hier kaufen.
Im Gespräch mit
Valérie Rust ist studierte Kunsttherapeutin und der kreative Kopf hinter dem Schmucklabel Valérievienne. Jeder Ohrring aus der Hand von Valérie ist ein Unikat. Es wird geformt, geschnitten, gebrannt, geschliffen, glasiert und montiert. Alles mit Hand und mit Liebe in Wien gemacht. Das Material ist Polymer Clay und ist sehr leicht zu tragen.
Instagram: @valerie.vienne
Valéries Youtube Channel