Hast du schon einmal von einer "Portfolio Karriere" gehört?
Die wenigsten von uns verfolgen nur einen Karriereweg und vor allem Frauen tendieren dazu, ihren Job an ihre Lebensbedürfnisse anzupassen. Die Frage danach, was einen wirklich erfüllt und glücklich macht, ehrlich zu sich selbst zu sein und dann die richtigen Schritte zu setzen, fühlt sich manchmal fast unbewältigbar an.
Und dann irgendwann stellt sich der Moment ein, wo sich alles richtig anfühlt, gut und leicht.
Eine Frau, die diesen Weg für sich gegangen ist und genau diese Augenblicke der Leichtigkeit in ihrer Arbeit festhält, ist die Künstlerin Irma Sitter. Schon beim ersten Kennenlernen spürt man, diese Frau hat viele Geschichten zu erzählen, sie kennt unterschiedliche Welten. Nur vage kann man sich vorstellen wie ihr Weg von einer Leistungsportlerin, zur Künstlerin, hin zur Kreativ-Direktorin, Mutter, Kunstlehrerin und wieder zurück zur freischaffenden Künstlerin ausgesehen hat.
Irma Sitters Bildern wohnt eine Leichtigkeit und Freude inne, die sich beim Anschauen direkt auf den Betrachter übertragen. Sie sind sanft und kraftvoll zugleich, voller Seele.
Wir haben mit Irma anlässlich ihrer Ausstellung "H I G H" im Kunstforum Wien (noch bis 1. Oktober) gesprochen:
Wie hat dein Weg als Künstlerin begonnen?
Während meiner Studienjahre habe ich gemalt, aber nach dem Abschluss beschlossen, dass die
Kunst, der Kunstmarkt, die Galerieszene und so weiter, nicht meins sind. Ich habe meine berufliche Karriere in der Werbung begonnen, habe im Gymnasium Kunst unterrichtet, war wieder in der Werbung, war bei Swarovski, wo ich als Creative Director gearbeitet habe. Das heißt ich war schon immer kreativ, habe mit Kreativen zusammengearbeitet, habe kreative Konzepte erstellt, war für das Branding, für die Stories zuständig. Es war meine Verantwortung, dass alles in sich stimmig ist.
Als ich nach Wien gekommen bin, kam ich wieder zurück zur Malerei. Vor zwei Jahren habe ich dann auch ein Atelier gefunden. Das heißt, die Pandemie hatte begonnen, ich habe dieses Atelier gefunden und es war ein Ort, an den ich fast hin geflohen bin, weil es mir manchmal zu turbulent wurde mit den Kindern.
Das Atelier war mein persönlicher Ort, an dem ich meine Ruhe gefunden habe, und dann zum Glück noch ein paar Leinwände von früher hatte. So habe ich eigentlich begonnen wieder zu malen. Ich habe das immer regelmäßiger gemacht und wie früher, war es dann einfach ein Muss. Man ist jeden Tag im Atelier und irgendwann kommen auch wieder diese Serien, die Geschichten und man ist wieder voll drinnen in dem künstlerischen Medium - das ist einfach sehr erfüllend und wunderschön.
Ich habe dann vor einem Jahr meine ganzen Werke Sydney Ogidan gezeigt, einem Kunstkurator, der in der Kunstszene gut verankert ist, und er meinte: „Da müssen wir eine Ausstellung machen, eine größere Ausstellung, etwas, das Aufmerksamkeit erregt.“ und so ist die Idee mit der Ausstellung im Kunstforum entstanden.
Am 27. September hast du deine Ausstellung in Wien eröffnet. Möchtest du uns einen Einblick in dein Werk geben?
Der Titel ist nicht umsonst "High". Es geht darum dieses Gefühl der Schwerelosigkeit zu
empfinden.
Dieses Abheben vom Alltag, diesen Augenblick, diesen Moment genießen, es geht eigentlich um genau das, die Leichtigkeit.
Es gibt keine Bilder in der Ausstellung, die irgendwie düster sind, die einen runter ziehen oder die Probleme der Welt irgendwie anschaulich machen. Mir geht es um diese schönen Augenblicke, die es immer wieder gibt und die man auch bewusst wahrnehmen sollte und dieses Gefühl, das man einfach hat, wenn man wirklich glücklich ist. Das ist es, was in dieser Ausstellung visualisiert wird.
Das brauchen die Menschen, viel mehr Leichtigkeit!
Ja, wenn ich male, bin ich immer sehr positiv. Ich liebe es zu malen, ich gehe nie frustriert ins Atelier. Durch das Malen werde ich sowieso automatisch positiv und alles was mich stört oder mich bedrückt ist dann weg.
Du bist ja über Umwege wieder zum Malen zurückgekommen, wie kam es dazu, den Moment zu spüren und zu sagen, "Ja, das ist es jetzt!"?
Die Pandemie war quasi der Auslöser. Es war alles für mich so anstrengend und so stressig und so gegen meine Natur, auch dieses Homeschooling. Ich muss sagen, die Pandemie hat mir und auch meinem Mann die Augen sehr geöffnet, was wir in unserem Leben haben wollen und was nicht. Das ist auch der Grund, warum wir dann nach dem zweiten Lockdown mit den Kinder nach Kapstadt gegangen sind, um dort ein paar Wochen zu bleiben. Nach unserer Rückkehr haben wir um ein Visum angesucht und jetzt leben wir seit drei Monaten in Kapstadt.
Was für eine Rolle spielt Malen für dich heute? Hat sich dein Zugang über die Zeit verändert?
Gemalt habe ich bereits während des Studiums, dann wieder lange nicht. Obwohl, lange nicht stimmt nicht! Ich habe, wenn ich eine Leinwand gefunden habe, sehr wohl etwas gemalt, aber dann natürlich lange auch wieder nicht. Das heißt, ich habe mit diesen vielen Pausen eigentlich erst in der Pandemie wirklich wieder diese kontinuierliche Leidenschaft gefunden‚ das Malen war dann einfach wieder mein Beruf.
Ich war wieder Künstlerin.
Ich habe nämlich in der Zwischenzeit nie gesagt, dass ich Künstlerin bin, weil ich finde Künstler*in ist man nur, wenn man auch wirklich produziert und künstlerisch tätig ist und nicht nur weil man es studiert hat.
Weil ich sehr großformatig male und früher auch sehr viel Tanz und Sportgymnastik gemacht habe, ist der Prozess des Malens immer ein großer Gestus. Mein Körper ist voll im Einsatz, das ist anstrengend, für den Körper aber auch für meinen Geist. Ich habe ganz viele Bilder im Kopf und scanne sie durch und schaue, bis das richtige Bild im Kopf ist und dann male ich es.
Das Malen ist so wichtig für mich, um durch das Spiel mit den Farben meine Wünsche und meine Sehnsüchte ausdrücken zu können. Die Veränderung, je nachdem welche Farbe neben welcher steht, plötzlich ist da diese völlig andere Wirkung. Für meine Arbeiten brauche ich dann keine Themen von außen, sondern das Farbenspiel, die Gefühle und Sehnsüchte sind meine Themen.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag für dich aus?
Ein normaler Arbeitstag beginnt bei mir gegen 8.45 Uhr im Atelier. Ich sitze oft erst einmal vor den Bildern und schaue und probiere im Kopf, wie die Bilder weiter gemalt werden müssen. Also ich schaue 90 % meiner Arbeitszeit auf die Bilder. Wenn ich neue Bilder beginne, lasse ich mich sehr stark von Farbkombinationen und Stimmungen inspirieren. Stimmungen können auch von Filmen kommen. Meist bin ich ab 12.30 Uhr fertig und dann kommen die Kinder. Manchmal finde ich am Abend dann nochmal den Weg ins Atelier.
Was ist deine Erfahrung mit der Kunstwelt als Künstlerin? Gibt es einen Rat von deiner Seite für junge Künstler*innen?
Beschäftigt euch mit allen möglichen Wissenschaften. Weil man muss als Künstler*in auch wie ein*e Selbstständige*r agieren, das heißt, man sollte sich sehr wohl auch ein bisschen interessieren, wie die Wirtschaft funktioniert. Generell, je mehr man sich für Verschiedenstes interessiert, umso interessanter werden dann auch die Arbeiten.
"Ich finde es war wichtig, dass ich mich mit so viel verschiedenen Dingen auseinander gesetzt habe und auch sehr viel mit anderen Student*innen aus anderen Studienrichtungen kommuniziert habe und Diskussionen geführt habe. Meine vielen Umwege waren schon sehr bereichernd."
Ich weiß nicht, ob es diesen ganz geradlinigen Weg gibt Kunst zu studieren und dann große*r Künstler*in zu sein, ich glaube, da muss man auch sehr viel Glück haben.
Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass man nicht abhängig ist von Leuten aus der Kunstszene, seien das Galerist*innen, etc., sondern man sollte schauen, dass man sich selbst auch vermarkten kann. Man muss mit dem, was man macht, zusehen, dass es irgendwie funktioniert. Wenn es auf die eine Art nicht geht, dann muss man sich etwas anderes überlegen, man sollte auch da kreativ sein. Es geht darum kreative Wege zu finden.
Gibt es etwas, das du in der Kunstwelt ändern würdest, wenn ja was?
Man sollte wirkliche Talente mehr fördern, nicht nur weil man laut ist und schrill und weil man gut im Netzwerken ist. Ich denke es braucht einen objektiveren Blick auf die Talente. So macht man Leute sichtbar, die tolle Arbeit leisten, aber vielleicht wirklich total introvertiert sind. Man sollte ihnen Raum geben, eine Bühne schaffen, auf der sie sich präsentieren können, das wäre glaube ich gut.
Was möchtest du mit deiner Arbeit als Künstlerin in Zukunft erreichen?
"Ich habe viele, viele schöne Träume."
Natürlich möchte ich, dass die Kunst bei den richtigen Leuten im Haus oder im Wohnzimmer hängt. Ich träume auch von Kooperationen mit Firmen. Mein absoluter Traum wäre es, mit Hérmes oder auch mit Louis Vuitton Kooperationen einzugehen. Ich finde die aktuelle Werbung von LV „Towards a dream“ und die Bilder, die dabei transportiert werden, sehr schön. Sie gefallen mir auch deswegen so gut, weil sie mit Malerei zu tun haben. Da schlägt mein Herz als ehemalige Creative Director einfach höher, denn ich liebe es immer noch Welten zu suggerieren. Das ist einfach eine sehr schöne Sache.
Auf der anderen Seite würde ich natürlich gerne auch im Raum arbeiten. Dass ich z.B. Räume gestalte, eine gewisse Stimmung in diese Räume einfließen lasse, mit den unterschiedlichsten Medien. Ich habe große Wünsche.
Man muss groß träumen!
Ja eben, das wollte ich auch gerade sagen. Also, man darf nicht größenwahnsinnig sein, aber man sollte sehr wohl groß denken, das ist schon gut. Sich trauen, Mut haben!
Gefallen dir die Bilder und du hättest Interesse eines zu kaufen?
Schreibe uns gerne an christina@mygiulia.de und wir vernetzen dich herzlich gerne für ein persönliches Gespräch mit der Künstlerin.
Im Gespräch mit:
Irma Sitter studierte Malerei und Geografie in Salzburg, nach ihrem Wechsel nach Wien, an die Akademie der Bildenden Künste, schloss sie1998 ihr Studium ab. Danach arbeitete sie in der Werbebranche als Creative Director bei Swarovski. Zurzeit lebt und arbeitet sie in Wien und Kapstadt.
Irma Sitters Malerei beginnt im Kopf. Angeregt von Landschaften, Erinnerungen, Gerüchen, Gedanken komponiert sie ein Bild und lässt es als Skizze auf Leinwand das Licht der Welt erblicken. Sie sich von den Farben leiten. Sie malt am Boden mit einer reichen Farbpalette, viel Wasser und dem Pinsel als Wegweiser unter dem das Werk wie organisch wächst. Farbschichten über Schichten, lasierend aufgetragen, überlagern sich, verschwimmen, greifen ineinander. So offenbart sich auf einen Blick oft ein ganzer Prozess, die ganze Entwicklung eines Bildes.
Jedes Werk hat seinen eigenen Charakter, seine eigenen Gesetze, sucht sich seinen eigenen Weg. Und darin liegt die Kraft dieser Arbeiten. Denn am Ende ist oft nichts schwerer, als dass etwas leicht wirkt.
Mehr Informationen findet ihr auf Instagram @irma_sitter und www.irma-sitter.com