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OSKA: „Ich bin da, wo ich sein soll”

Die Sängerin und Musikerin im Interview


TEXT & INTERVIEW: VIKTÓRIA KERY-ERDÉLYI


Im Waldviertel aufgewachsen, performte sie vor Kurzem ihre Musik mit viel Herz noch auf der Straße. Diesen Sommer schmeißt OSKA die Opener-Shows vor den vier Coldplay-Konzerten in Wien. Pro Abend wird sie dabei in 50.000 Augenpaare blicken. Gut, dass die charismatische Singer-Songwriterin zuvor fand, was sie verloren hatte.

 

OSKA | Kuenstlerin | Musikerin | Saengerin | Musik | Wiener Kuenstlerin | Portrait | Manuel Hauer | myGiulia
OSKA / Foto: Manuel Hauer

 

„Die Produktionsleiterin der Show zählte herunter: Noch eine Minute… Noch 30 Sekunden… 10, 9, 8… – Ich dachte mir nur: Okay, das passiert jetzt wirklich, worauf ich monatelang hingefiebert habe“, beschreibt Maria ihren ersten Support-Gig für Tom Odell. Das war 2022. „Ich wusste, dass ich vor hundert Leuten spielen kann – aber vor 5.000?! Ich hab mich gefragt: Kann es mir gelingen, so vielen Menschen eine schöne Zeit zu bereiten und mit ihnen zu connecten?“

 

Das konnte und kann sie. Diesen Sommer kommt eine weitere Null hinzu, wenn die 28-jährige Maria aus Niederösterreich alias OSKA im Wiener Ernst-Happel-Stadion die Opener-Show für die Superstars von Coldplay gibt. Rund 50.000 Karten sind pro Abend verkauft – und zwar vier Mal.


Wie kam es dazu? „Der Veranstalter Live Nation hat uns direkt kontaktiert“, beschreibt Managerin

Annemarie Reisinger-Treiber – gut eine Woche später war die Sache quasi fixiert. Das Schöne daran: „Laut unserer Info suchen sich Chris Martin und Band ihre Supports selbst aus – und für Österreich fiel ihre Wahl auf OSKA, das freut uns riesig.“ Sie managt OSKA seit Herbst 2019, von Anfang an haben die beiden Frauen einen – auch für Außenstehende spürbar – besonderen Draht zueinander. „Wenn wir uns heute über unser Kennenlernen im Studio unterhalten, finden wir beide lustigerweise, dass es sozusagen wie Liebe auf den ersten Blick war“, lacht Annemarie Reisinger-Treiber. „Uns war schnell klar, dass wir zusammenarbeiten wollen.“



OSKA mit Managerin Annemarie Reisinger-Treiber
OSKA mit Managerin Annemarie Reisinger-Treiber

200.000 Menschen werden also die Waldviertlerin erleben, deren künstlerische Laufbahn als Straßenmusikerin in Wien begann. Das war nicht etwa Plan B, sie liebte es: die Unmittelbarkeit der Konzerte, die Reaktionen direkt an ihren Zuhörer*innen ablesen zu können und sie zu fragen, ob sie nach einem Florence & The Machine-Cover auch bereit wären für einen selbstgeschriebenen Song. All das liebte sie viel mehr als das Pop- und Jazzgesang-Studium, das sie ein bisschen ihrer Mama zuliebe absolvierte.

 


„Meine Mama ist der Kern meiner Musik. Sie hat immer gesungen, Gitarre gespielt – und schon am Morgen Joan Baez-Platten aufgelegt.“ – OSKA

 


Musik war allgegenwärtig im Haus nahe dem Ottensteiner See, in dem sie als die Jüngste von fünf Geschwistern aufwuchs; alle sangen und spielten Instrumente.

2022 erschien OSKAs Debütalbum „My world, My love, Paris“ beim kanadischen Label Nettwerk. Ihre Musik ist manchmal wie eine zärtlich tröstende Umarmung für erdrückenden Weltschmerz und manchmal eine federleichte Entführung in magische Zeiten. Bei OSKA treffen sich viele: Mainstream-Radio und anspruchsvolle Sender spielen ihre Songs, ihr Publikum ist ein wundervoller Generationenmix. 





Als ich Maria zum Interview treffe, blickt sie – so beschreibt sie es selbst – auf zwei Reisen zurück: auf eine, die sie zu ihren ersten Konzerten in die USA führte und auf eine zweite, die quasi zur Entdeckungstour zu ihr selbst wurde. Denn nach dem sehr bewegten Jahr 2022 fehlte ihr etwas, das sie unterwegs verloren hatte.

 


Du bist erst seit Kurzem zurück, wie war es in den USA?


Sehr aufregend! Ich war das erste Mal in meinem Leben in New York und habe meine ersten Konzerte im Rahmen von Showcase-Festivals gespielt. Es war auch überraschend: In New York hatte ich zwei Shows, in einer ruhigen Atmosphäre und das Publikum war sehr aufmerksam. In Austin war’s ganz crazy, ein bisschen wie Reeperbahn auf Amerikanisch: Du kommst aus dem Burgerladen und vor der Tür steht ein Mensch mit Kobraschlangen. (lacht) Das waren unvergessliche Erlebnisse. 

 

OSKA | Kuenstlerin | Musikerin | Saengerin | Musik | Wiener Kuenstlerin | Portrait | Manuel Hauer | myGiulia
OSKA / Foto: Manuel Hauer

2022 bist du selten in deinem Bett aufgewacht: Du hast mehr als 100 Konzerte und Support-Shows gespielt – für Künstler wie Stu Larsen, die erfolgreiche niederländische Band HAEVN oder den Brit Award Gewinner Tom Odell, der persönlich anfragte, ob du ihn auf seiner Europa-Tour begleitest. Wie blickst du auf diese Zeit zurück?


Ich hab mich anfangs gefühlt wie ein Lehrling (lacht); ich habe sehr viel gelernt und erlebt: von schönen intimen Konzerten vor hundert Leuten bis hin zu Shows mit tausenden. Eines meiner Lieblingskonzerte war in Utrecht als Support für HAEVN. Ich hatte bereits die Erfahrung der Konzerte davor und habe mich an dem Abend sehr selbstsicher gefühlt. Da waren ein paar Tausend Leute, aber sie waren ganz still, haben mir zugehört – und über meine Witze gelacht (lacht). HAEVN hat mich dann während ihres Sets noch mal auf die Bühne geholt und als ich begonnen habe zu singen, haben die Leute „wohoooo“ gerufen – das war so eine schöne Erfahrung, dass ich es an einem Abend, der eigentlich der anderen Band gehört hat, geschafft habe, dass mich die Menschen mögen. 

 


Braucht es eine besondere Energie, wenn du vor so vielen Menschen auftrittst?


Jedes Konzert ist besonders, selbst wenn ich vor zwei Leuten auftrete – auch das habe ich erlebt. Ich mag kleine Räume, vor den großen habe ich Respekt. Dort musst du dir vor einem Konzert sicher sein. Der Moment, wenn du die Bühne betrittst, ist entscheidend. Die Leute quatschen da vielleicht noch, dieses „hier bin ich“ muss sehr klar sein. Das geht nicht mit den Songs allein, man muss eine bestimmte Atmosphäre schaffen, eine Präsenz.

 


Woran denkst du jeweils im letzten Moment?


An gar nix. (lacht) Ich war anfangs sehr nervös, das ändert sich im Laufe der Zeit zum Glück. Aus der schirchen Nervosität wurde Vorfreude: Jetzt geht es los! Ich hoffe, dass es bei Coldplay auch so sein wird. Das Schöne ist, dass es vier Shows geben wird. Wenn du eine spielst, vergeht die Zeit viel zu schnell, bei vier kann ich es mehr genießen.

 

Konzert | Publikum | Event | Musik | Tanzen | Danny Howe | myGiulia
Foto: Danny Howe / unsplash

 

Wir sprechen von insgesamt 200.000 Leuten…


Ich kann mir nicht vorstellen, wie das sein wird, da bin ich nervös! (lacht) Erst gestern bin ich bis fünf Uhr morgens wach gewesen, weil ich angefangen habe zu planen, welche Lieder ich spielen werde und dadurch voller Energie war.


 

Welche war die zweite Reise, die du zu Beginn des Gesprächs erwähnt hast?


2022 war wahrscheinlich das bisher aufregendste und schönste Jahr meines Lebens. 2023 folgte eine totale Selbstfindungsphase. Mir wurde bewusst, dass ich mein eigenes Ding machen muss. Ich habe eine große Familie, es gab viele Veränderungen, Freund*innen bekamen Kinder, zogen weg, ich war das erste Mal ohne Partner – und ich wollte auch wirklich allein sein. Das Gefühl kennt man kaum, wenn man so viele Geschwister hat.

Ich habe beschlossen, mein nächstes Album in England aufzunehmen und war dafür viel in London. Ich kannte praktisch niemanden, musste mich auch ein bisschen durchschlagen. Trotzdem war es toll und es hat mir noch mehr Fokus auf meine Arbeit gebracht. Ich habe die Zeit genutzt, um mit mir ins Reine zu kommen – und fürs Songwriting. Jetzt freue ich mich darauf, diese Songs mit der Band zu erarbeiten und auf die Tour. Das ist gerade ein sehr schöner Prozess.

 


Wann kommt das neue Album, wie wird es sein?


Es kommt am 14. Februar 2025, aber wir werden bis dahin schon acht Songs veröffentlichen. Es ist wie ein Puzzle, von dem man nach und nach Einzelteile zeigt, bis man das ganze Bild zusammensetzt. Man würde es vielleicht nach dem ersten Lied „Like A Song“ nicht vermuten, aber es kommen ein bisschen schnellere, mehr tanzbare Lieder als beim ersten Album. Ich schreibe gerne alleine: Die Lyrics sind immer von mir, die Melodien zum Großteil auch. Ich liebe es aber auch, wenn wirklich enge Freunde einzelne Gitarrenriffs bringen oder Arrangement-Ideen.

Ich werde die neuen Songs schon ein bisschen auf Konzerten ausprobieren und auch ein Lied bringen, das noch nicht auf dem Album sein wird. Das hebe ich mir für später auf. Ich habe sicher an die 50 Songs geschrieben.

 



 

„Ich habe irgendwann den Fokus zu sehr darauf gerichtet, spüren zu wollen, was andere wollen.” – OSKA


Gab es einen bestimmten Auslöser für deine persönliche Neufindung?


Ja, tatsächlich. Vor England war ich bei meiner Schwester zuhause und wir haben an die 20 Videos auf ihrer alten Festplatte entdeckt, auf denen ich 12, 13 oder 14 war: Man sieht mich ständig vor der Family spielen und singen – Lieder von Adele über Keane bis hin zu Folksongs, mit viel Spaß und Leichtigkeit. Plötzlich überkam mich eine Traurigkeit, weil ich die Diskrepanz gespürt habe, zwischen dem, wie befreit und selbstverständlich ich als Kind Musik gemacht habe und wie viele Zweifel dazu gekommen waren – und irgendwann auch die Angst, überhaupt gesehen zu werden. Am liebsten hätte ich mich zu der Zeit unter einer Decke versteckt.

 


Wieso, was hat das ausgelöst?


Ich habe mich nicht verbogen, aber ich habe wohl irgendwann den Fokus zu sehr darauf gerichtet, spüren zu wollen, was andere wollen. Ich habe mich zuletzt gefragt: Wer soll ich für andere sein, anstatt mich zu fragen, wer will ich sein? Die alten Videos haben mich sehr zum Nachdenken gebracht und mir wurde klar, dass ich musikalisch zu dieser Selbstverständlichkeit zurück will – mit meiner Musik und ohne viel nach Meinungen zu fragen. Man darf sich nicht von dem Gedanken leiten lassen, was potenziell erfolgreich werden kann. Mein größtes Ziel ist, dass ich die nächsten 20 Jahre von der Musik leben und vielleicht sogar irgendwann eine Familie haben kann. Das ist aber auch schwierig, weil man nicht darauf vertrauen kann, dass die Entscheidungen, die man trifft, von einer breiten Masse verstanden werden. Das Learning war: Niemand versteht mich so gut, wie ich selber. Es ist im Leben auch nicht garantiert, dass eine Person immer an deiner Seite ist. Die einzige Garantie ist, dass du dich selber hast. „You’re On Your Own, Kid“, wie Taylor Swift singt.

 


Bist du ein Taylor Swift-Fan?


Ja! Sie steht zu sich, in allen Versionen. Sie performt teilweise Lieder, die sie mit 14 geschrieben und mit 18 veröffentlicht hat, fast 20 Jahre später – und macht das mit so einer Freude! Der Freund meiner Mama ist Autor und gab mir kürzlich mit: „Es ist wichtig, dass die Leute spüren, dass du deine Arbeit liebst. Dazu musst du auch nicht alles daran lieben.“ Taylor Swifts Lyrics wurden lang unterschätzt, dabei ist sie eine geniale Geschichtenerzählerin – in ihrem Metier auf demselben Level wie Paul McCartney oder Bob Dylan. Und ich mag ihre Botschaft: Egal wie schwierig es wird, lass dich nicht davon abhalten, deine Kunst zu schaffen. 

Frauen und Mädchen hatten so lange das Gefühl, dass sie sich schämen müssen, wenn sie Fans von einer Person waren, die als uncool galt. Zum Glück ändert sich das, heute machen mehr Frauen Filme, bringen Alben heraus.

 


„Lass dich nicht davon abhalten, deine Kunst zu schaffen”, rät OSKA. | Foto: Manuel Hauer

Ich habe kürzlich einen Klassiker geschaut und dabei wieder festgestellt, wie viel die Metoo-Bewegung tatsächlich ausgelöst und verändert hat, auf so vielen Ebenen.


Ja, es ist viel mehr Awareness da. Mama und ich haben kürzlich „Pretty Woman“ gesehen – mit der typischen Frauenrolle, die von einem Mann geschrieben wurde: Sie kommt gut an, wenn sie sich unterordnet, über seine Witze lacht und auf sich aufpassen lässt. Trotzdem ist das ein toller Film, ich liebe Julia Roberts! (lacht)

 


Ich mag den Film ehrlicherweise auch. Meinst du, es ist okay, ihn mit meinen Töchtern zu schauen?


Sicher! (lacht) Ich finde es sogar besser, wenn man sich damit konfrontiert und den Film bespricht. Ich habe in England ein Lied für meine Nichte Mariella geschrieben, die jetzt 19 ist, und den Song „Lora” für meine damals noch ungeborene andere Nichte. Meine Gedanken waren: Steh zu dir, sei du selber, du bist gut, so wie du bist. Die Songs sind zwar nicht auf dem neuen Album, aber sie haben alles beeinflusst, was danach kam. Ich habe an meine Nichten gedacht, aber auch stellvertretend an alle Mädchen und an das Erwachsenwerden. Daran, wie wichtig Vertrauen ist – zu anderen, aber auch zu mir selbst. Ich kann wieder frei fühlen und vertrauen – darum geht es im neuen Lied „Like A Song“.

 


Wie wichtig sind dir die Familie und das Waldviertel?


Ich habe vorhin gesagt, der einzige Mensch, den man wirklich hat, ist man selber – ich ergänze: und meine Mama! (lacht) Sie wird mich immer stärken. Ich bin kürzlich wieder zu ihr ins Waldviertel gezogen, habe sogar die Gartenarbeit für mich entdeckt und wir sind außerdem zwei wilde Hühner, die auch mal ein altes Kastl kaufen, es abschleifen und anstreichen, das ist mein Ausgleich. Ich fliege jetzt nach London, dann bin ich zum Songschreiben in Sizilien, bald geht es auf Tour – wozu eine Wohnung in Wien? Ich habe das erste Mal in meinem Leben das Gefühl, dass ich da bin, wo ich sein soll. 



 

Im Interview


OSKA | Kuenstlerin | Musikerin | Saengerin | Musik | Wiener Kuenstlerin | Portrait | Manuel Hauer | myGiulia
Foto: Manuel Hauer

OSKA ist seit ihrer Jugend als Singer-Songwriterin unterwegs. Die Walviertlerin wuchs als Jüngste von fünf Geschwistern auf, ihre Mutter sang und spielte Gitarre für die Kinder, seit sie klein waren. Maria ging mit 18 nach Wien, trat als Straßenmusikerin auf und machte ihren Bachelor in Jazz- und Popgesang. 2020 gewann sie den XA Music Export Award beim Waves Vienna Festival, im selben Jahr veröffentlichte sie ihre Debüt-EP „Honeymoon Phase“. 2022 erhielt sie ihren ersten Amadeus Austrian Music Award in der Kategorie „Best Sound“, im selben Jahr erschien ihr Debütalbum „My world, My love, Paris“.

 

Konzerttermine & Co.






 

Unsere Autorin


Autorin | Portrait | Vanessa Hartmann | myGiulia
Foto: Vanessa Hartmann

Viktória Kery-Erdélyi wurde in Ungarn geboren und kam mit zehn Jahren nach Österreich. Sie studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft (Diplomarbeit: „Sie sagen, Sie sind nur eine Frau, was wollen Sie denn Besseres sein? – Geschlechterverhältnisse bei Marivaux). Nach 10 Jahren als Redakteurin beim KURIER wechselte sie als freiberufliche Journalistin in die Magazinbranche. Sie schreibt vorwiegend für die Wienerin, Burgenländerin und Niederösterreicherin.

Wie ich meinen Beruf verstehe: Jede Begegnung mit Menschen, die mir über ihr Leben erzählen und beschreiben, wofür sie brennen, ist ein Geschenk. Ich bemühe mich, mit viel Feingefühl und Demut vor dem geschriebenen Wort ihre Geschichten festzuhalten. 


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