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Positive Periode - Für gute Tage


Etwas Positives an der eigenen Periode finden – die meisten Frauen tun sich damit schwer. Was, bitte schön, soll schließlich toll daran sein, sich einmal im Monat mit Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Krämpfen und Müdigkeit herumzuschlagen?


positive Periode Frau rot | myGiulia

Die monatliche Blutung als eine Art Superpower neu zu definieren, ist für viele Frauen schwer nachvollziehbar – kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sich 90 Prozent aller fruchtbaren Frauen Monat für Monat mit den oben genannten Symptomen abplagen. Satte 10 Prozent davon leiden sogar unter extremen Regelbeschwerden, die es ihnen immer wieder schwer bis unmöglich machen, ihrer Arbeit oder Ausbildung nachzukommen*.

Dass es sich hierbei keineswegs um Wehleidigkeit handelt, zeigte 2016 eine Studie des Imperial College London, der zufolge Schmerzen während einer starken Regelblutung vergleichbar mit denen während eines Herzinfarkts sein können. Klingt grimmig – ist es (mitunter) auch. Wenn dann noch sexistische Kommentare von Kollegen und die Sorge um mögliche berufliche Benachteiligung dazukommen, entsteht das toxische Amalgam aus Scham, Resignation und ernsthaften gesundheitlichen Kompromissen, das die meisten Frauen nur zu gut kennen.


In einer 2017 durchgeführten Studie in den Niederlanden mit fast 33.000 Teilnehmerinnen kam heraus, dass nur jede fünfte Frau an ihrer Arbeitsstelle oder in ihrer Schule den wahren Grund nennt, wenn sie wegen Menstruationsschmerzen zu Hause bleiben muss. Ein positives, offenes Gesprächsklima in Betrieben, Schulen und Ausbildungsstätten rund um das Thema Monatsblutung sowie hygienische Mindeststandards (Seife und entsprechende Abfalleimer in den Toiletten) wären wichtige Maßnahmen zur Förderung der Frauengesundheit.



Änderung in Sicht


Nachdem Generationen von Forscher*innen, Aktivist*innen, Pädagog*innen und Künstler*innen das Tabu um die Periode nicht brechen konnten, fegt nun endlich eine frische, provokant optimistische Brise durch den öffentlichen Diskurs. Wissenschaftlich fundierte, zugänglich aufbereitete Alternativen zu der demoralisierenden Perspektive auf den weiblichen Zyklus, mit der viele von uns aufgewachsen sind, rücken zusehends in den Mainstream.


Auch in der Arbeitswelt hat man auf die neuen Erkenntnisse reagiert. In Spanien wurde 2023 ein feministisches Reformpaket vom Parlament in Madrid beschlossen. Das Gesetz gibt Frauen das Recht, jeden Monat drei bis fünf Tage lang zu Hause zu bleiben, wenn sie starke Regelschmerzen haben. Die Gesetzesänderung war im Fall Spanien deshalb bahnbrechend, weil das dortige Gesundheitssystem bislang für die ersten drei Tage eines Krankenstandes keine Lohnfortzahlung vorgesehen hatte. Das ist aber genau der Zeitrahmen, der für Frauen mit Menstruationsbeschwerden relevant ist. „In Österreich hingegen zahlt der Arbeitgeber im Krankheitsfall ab dem ersten Tag der Krankheit das volle Gehalt weiter“, betont der Österreichische Gewerkschaftsbund. „Dein Arbeitgeber hat grundsätzlich kein Recht, dich nach dem Grund für deinen Krankenstand zu fragen. Wenn du krank bist und nicht arbeiten kannst, reicht eine Krankschreibung vom Arzt aus“, erklären die ÖGB-Expert*innen für Geschlechtergerechtigkeit.





Positive Periode, wie soll das gehen?


Frauen sind es nicht gewöhnt, sich konstruktiv und ohne Scham mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen. Dazu fehlen uns oft (noch) das Selbstbewusstsein und das passende Vokabular. Immerhin hat in der Werbung Regelblut nach wie vor blau wie Schlumpfine zu sein, abgesehen von sehr seltenen Ausnahmen wie der britischen Firma „Bodyform”, die 2017 für diesen Werbespot Blood Normal erstmals Periodenblut zeigt, wie es ist: nämlich rot...


Und wenn wir davon sprechen, gerade „Besuch von Tante Rouge” oder „Los Wochos” zu haben, versuchen wir selbst das generelle Unbehagen durch Abstraktion und Humor zu entschärfen. Vielen ist das Ganze immer noch viel zu peinlich, viel zu riskant, und im schlimmsten Fall leiden die Frauen still, weil sie über ihre Beschwerden nicht offen sprechen können oder ihnen ein Zusammenhang zwischen dem hormonellen Zyklusverlauf und grippeähnlichen Zuständen vor dem Einsetzen der Blutung gar nicht in den Sinn kommt. Aufklärung und Information schaden daher nie und es ist nie zu spät, sich mit den (unsichtbaren) Vorgängen im eigenen Körper auseinanderzusetzen. Eine erste Anlaufstelle für Frauen, die mit PMS (prämenstruelles Syndrom) oder PMDS (prämenstruelle dysphorische Störungen) zu kämpfen haben, gibt es u. a. hier.


Wir wollen euch Wege zeigen, wie eine neue Leichtigkeit in ein schweres Thema kommen könnte!


1. Gedankenexperimente wagen


Manche Werte werden uns in die Wiege gelegt, andere müssen wir uns erarbeiten – eine positive Einstellung zur Regelblutung fällt für die allermeisten von uns sicherlich in letztere Kategorie. Doch was wäre, wenn wir den weiblichen Zyklus nicht als Schwäche, sondern als Stärke definieren würden? Was, wenn wir der Physiologie der Frau mit Respekt statt mit Scham begegnen würden? Was, wenn wir ihren wirtschaftlichen Wert adäquat bemessen würden? Was, wenn nicht Frauen sich dem System anpassen müssten, sondern umgekehrt?


Wem solche Fragen selbst 2023 noch zu radikal erscheinen, dem empfiehlt sich die Lektüre eines legendären Essays aus dem Jahre 1978. Unter dem schönen Titel „If Men Could Menstruate” (übersetzt: „Wenn Männer menstruieren könnten”) gibt sich hier die amerikanische Aktivistin Gloria Steinem einem unterhaltsam überspitzten Gedankenexperiment hin, in der Menstruation zur Männersache wird. Die Monatsblutung ist ein von Stolz erfülltes, beneidenswertes, ja sogar ein wettbewerbliches Phänomen: Wer hier blutet am meisten, wer am längsten? Die erste Regelblutung von Buben wird religiös und gesellschaftlich gefeiert. Hygieneartikel werden vom Staat generös gefördert. Die Fähigkeit, monatlich zu bluten, wird in direkten Zusammenhang mit beruflicher und sportlicher Leistungsfähigkeit gebracht. Tampons und Binden halten als Machtsymbole her, haben plötzlich Sex Appeal.


Diese Parabel ist zwar zum Schmunzeln, sie gründet sich jedoch auf durchaus ernsten Fragen: Wie und von wem werden kulturelle Normen, Sprache, Machtgefüge konstruiert? Wer profitiert davon, wer verliert? Steinems Gedankenexperiment wirkt auch heute noch provokant – woran sich zeigt, wie hartnäckig sich die Scham um die weibliche Monatsblutung hält. Wäre es da nicht an der Zeit für ein wenig Offenheit gegenüber der „Period Positivity”-Bewegung?



2. Auf den eigenen Zyklus achten


Der erste Schritt zur positiven Periode besteht meistens darin, den eigenen Zyklus besser kennenzulernen und sich ein Bild darüber zu verschaffen, was „normal” für einen selbst bedeutet. Der effektivste Weg dorthin? Mitschreiben. Wem Papier und Stift zu mühsam sind, kann sich für Apps wie Lady Cycle, Ovy oder Clue entscheiden. Sie machen es Benutzerinnen besonders einfach, denn sie arbeiten über einen Periodenkalender, der sowohl den Zeitpunkt des Eisprungs, als auch der Regel und der fruchtbaren Tage vorhersagt und daran erinnert. Man muss sich bewusst sein, dass diese Trackingapps unter Umständen die gesammelten Daten der Nutzerinnen anderweitig verwenden, Stichwort Big Data und KI.



3. Weibliche Gesundheit


Weite Teile der heutigen Medizin sowie der Sport- und Ernährungswissenschaften beruhen immer noch ausschließlich auf der männlichen Physiologie. Da lohnt es sich, Ausschau nach veröffentlichtem Wissen zu halten, das bezüglich Gender Medizin auf dem letzten Stand ist. Fachbücher wie das pragmatische „Superpower Periode" von Maisie Hill (2020) und das eher spirituell angehauchte „Wild Power“ von Alexandra Pope und Sjanie Hugo Wurlitzer (2019) sind bereits internationale Bestseller und bieten einen guten Einstieg. Sie informieren nicht nur über die verschiedenen Phasen des Zyklus und wie sich diese auf unseren Alltag auswirken, sondern klären auch darüber auf, wie Frauen ihre medizinische Beratung, Workouts und Ernährung „hormonfreundlich” optimieren können. Einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt auch das Buch „Der Zyklus-Kompass“ von Kerstin Eickes. Und wer sich von altem, tradierten Frauenwissen und TCM angesprochen fühlt, dem sei der Klassiker „Der Weg der Kaiserin“ von Christine Li ans Herz gelegt.






4. Persönlichen Austausch suchen


Apropos Tradition: Der Wissensaustausch unter Frauen ist eine uralte Tradition, die derzeit ein Comeback feiert. Offene Gespräche unter Freundinnen oder den „Frauen der Familie” geben Rückhalt und können bewusst und genussvoll kultiviert werden. Schon allein das Gefühl, nicht allein dazustehen, kann positive Energien freisetzen und gleichzeitig Beziehungen stärken. Außerdem fällt es in vertrautem Kreis vielleicht leichter, Erfahrungen mit alternativen Hygieneartikeln wie Bio-Tampons, Stoffbinden oder Menstruationstassen zu teilen – oder einfach gemeinsam über peinliche Menstruations-Hoppalas zu lachen. Und wenn dich ziehende Schmerzen quälen und du am liebsten in den Kopfpolster beißen möchtest: Vielleicht wendest du dich beim nächsten Mal vertrauensvoll an eine liebe nahe Verwandte oder Freundin und bittest um sanfte Fußmassagen. Wohlige Berührung entspannt!



5. Sich in bestehende Netzwerke einklinken


Wer sich solche Gespräche und Berührungen im Freundeskreis oder mit Verwandten nicht vorstellen kann oder sich einfach noch weiter vernetzen will, kann Angebote von diversen Yogastudios, Frauenzentren und qualifizierten privaten Anbieter*innen für sich entdecken. Bei monatlichen Treffen, die sowohl offline als auch im Netz stattfinden, lernen hier Frauen den eigenen Zyklus, mit allen Höhen und Tiefen, zu verstehen und vielleicht sogar lieb zu gewinnen.


Der Ursprung von Frauen- oder Mondzirkeln liegt in indigenen Kulturen, wo Frauen und Mädchen sich traditionellerweise während der Periode gemeinsam zurückziehen und Kraft schöpfen konnten. Auch wenn man dem Zusammenhang zwischen Mond, Frauengruppen und dem Zyklus skeptisch gegenüberstehen sollte, können solche Gruppen doch wertvolle soziale Anknüpfungspunkte bieten.



6. Männer nicht vergessen!


Ja, die Periode geht auch Männer und Buben etwas an. Schließlich schaden altväterische Rollenbilder allen Geschlechtern. Während es unter Männern schon als wichtig und sogar cool gilt, sich bei Sex und Verhütung auszukennen, hinkt das Thema Menstruation noch meilenweit hinterher. 2019 ergab eine Umfrage von Ready for Red, dass nur jeder dritte Junge überhaupt weiß, was Menstruation ist!


Jetzt liegt es also an uns, die Herren der Schöpfung diesbezüglich aufzuklären und aufzulockern. Erdbeerwoche.com bietet reichlich Material zum Thema Menstruation & Männer und ist generell eine äußerst empfehlenswerte Plattform für alle, die lernen wollen, weniger krampfhaft mit der Menstruation umzugehen.



7. Die nächste Generation stärken


Als Mütter und Frauen haben wir die Chance, das Bild der Menstruation nachhaltig zu beeinflussen. Vor allem für Mädchen ab 10 Jahren, denen die Periode demnächst bevorsteht, können offene Gespräche über den weiblichen Zyklus wahre Schlüsselmomente sein. Das Erlebnis der ersten Periode kann ein ganzes Leben prägen – da lohnt es sich durchaus, ein wenig vorbereitet zu sein. Ready for Red ist eine „Lernplattform zu Menstruation, Zyklus & Co”, die auf lockere, humorvolle Art darauf abzielt, den Mädels von heute einen selbstbewussten, achtsamen Umgang mit der Periode zu ermöglichen – und uns Erwachsenen beizubringen, wie wir sie dabei am besten unterstützen. Wann die Menarche eintritt, ist tatsächlich sehr individuell: Die Zeitspanne reicht vom 10. bis zum 16. Lebensjahr. Ziehen und Spannen in der Brust, Kopfschmerzen und bräunliche Flecken im Slip können auf eine einsetzende erste Blutung hindeuten. Für Mamas, die ihren Töchtern an diesem Tag gern etwas schenken möchten, bietet MyLily (organic femcare) oder auch die Female Company den First Period Kit an.


Am Ende des Tages ist es neben einer wertschätzenden Einstellung dem eigenen Körper gegenüber einfach eine Frage des Wissens über den Zyklus, die Hormone und die Funktionsweise der Organe. Damit kann sogar die Periode zu (d)einer wahren Superpower werden!


* Anmerkung: Bei ausgeprägten und wiederkehrenden Schmerzen und hohem Leidensdruck zögere nicht und lass die Beschwerden unbedingt von einer Fachärztin oder einem Facharzt abklären!



 

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